„Es ist ein Kampf, aber ich führe ihn gern.“

Schwerbehindertenvertretung

Kurt Hagemann ist weiterhin Vertrauensperson der Beschäftigten mit Schwerbehinderung. Seit Ende 2018 hat er dieses Amt inne. Ende November 2022 bestätigten ihn die Wahlberechtigten bei der Wahl zur Schwerbehindertenvertretung ohne Gegenkandidatur.

In der Geschwister-Scholl-Straße 24 C, auf derselben Etage wie der Personalrat, liegt das Büro der Schwerbehindertenvertretung. Kurt Hagemann hat es mit einem Besprechungstisch ausgestattet. Kleinformatige Bilder an der hellgelben Wand und Grünpflanzen vermitteln eine gemütliche Atmosphäre. Um seinen Anforderungen gerecht zu werden, ist der Raum per Aufzug barrierefrei erreichbar; wenngleich die Flur-Türen schwergängig sind.

Viel Expertise im Gremium

Mit vier Vertreter*innen, die im Abwesenheitsfall nach ihrer Rangfolge einspringen, hat Hagemann zu seiner Wiederwahl alte und neue Expertise ins Gremium geholt. Weiterhin erste Vertreterin ist Petra Ertl, zweite Elke Geiselhart und als dritter Vertreter ist neu Hagemanns Vorgänger, Dieter Weber gewählt, der aus seiner Abberufung ins Ministerium zurückgekehrt ist. Für die Schwerbehindertenvertretung wird er den direkten Weg ins Ministerium ebnen und zugleich auf Landesebene Kontakt mit anderen Vertreter*innen halten. Vierter Vertreter ist weiterhin Stefan Küster.
Aus ihrem zum Teil auch privaten Engagement können die Vertreter*innen ihre Kenntnisse zu Vorgaben rund um Barrierefreiheit einbringen. Die Schwerbehindertenvertretung (SBV) trifft sich monatlich. Aktuelle Fälle, geplante Maßnahmen oder etwa Weiterbildungen rund um die sich ändernde Gesetzeslage sind ihre Themen.

Bei seinem Amtsantritt 2018 hatte Hagemann im Gespräch einige Vorhaben benannt, denen er sich widmen wollte. Stolz ist er besonders auf die Inklusionsvereinbarung, die unter Federführung von Dr. Ulrich Eggert – seinem Nachfolger als Inklusionsbeauftragter des Arbeitgebers – vorangetrieben wurde. Eine Verabschiedung des Dokuments mit verschiedenen Absichtserklärungen, Positionierungen und konkreten Maßnahmen ist 2023 geplant.

Schwerbehindertenvertretung hat Anhörungsverpflichtung

Was heißt „schwerbehindert oder gleichgestellt“?
Als schwerbehindert gilt, wer einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 hat. Gleichgestellt sind Personen mit GdB 30 bis 50, sofern der Gleichstellungsantrag seitens der Agentur für Arbeit bewilligt wurde.

Hauptinhalt seiner Tätigkeit als Schwerbehindertenvertreter ist es, die Anliegen der rund 150 schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten zu vertreten. Für sie sieht die Gesetzgebung besonderen Arbeitsschutz und Ausgleichsmaßnahmen vor. Grundsätzlich gibt es eine Anhörungsverpflichtung der SBV, wenn es beispielsweise zu Vertragsänderungen kommt. Auch bei Vereinbarungen, die alle Beschäftigte betreffen, muss die Universitätsleitung neben dem Personalrat die Schwerbehindertenvertretung hören. Das wäre etwa bei der neuen Arbeitszeitregelung der Fall gewesen. Die SBV arbeite unabhängig und sachlich, vor allem der Verschwiegenheit verpflichtet, sagt Hagemann. Bei seinem Einsatz mache er sich jedoch nicht immer beliebt. Er ergänzt: „Ich nehm halt auch kein Blatt vor’n Mund.“

Im Gespräch berichtet Hagemann einige Fälle, die ihn beschäftigten. Beispielsweise sei es gelungen, die Kündigung von zwei schwerbehinderten Personen zurückzuziehen, denen in der Probezeit gekündigt worden war. „Oft wissen die Betroffenen und die Zuständigen gar nichts von der Anhörungsverpflichtung. Es gab mehrere Rundschreiben dazu. Häufig erfahre ich aber nur durch Zufall von den Verfahren“, sagt Hagemann. Auch im Wissenschaftsbereich, beispielsweise in Berufungsverfahren, muss bei Bewerbungen schwerbehinderter Personen die SBV in Kenntnis gesetzt werden.

„Manche reagieren fassungslos oder uneinsichtig“, wenn Hagemann sie über die Rechte der Schwerbehinderten aufkläre. Grund für die Unsicherheiten und das fehlende Wissen sei auch die im Vergleich zur Bevölkerung geringe Zahl von Personen mit Schwerbehinderungen an der Universität: „Die meisten Behinderungen zieht sich ein Mensch erst im Lauf seines Lebens zu. In einer normalen Behörde, etwa einem Rathaus, bleiben viele Menschen ihr Berufsleben lang. Bei uns, insbesondere im wissenschaftlichen Bereich, gibt es sehr viele Menschen am Berufsanfang.“ Daher gebe es altersbedingt weniger Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Seit vergangenem Jahr muss die Universität daher Strafzahlungen ans Land leisten: Weniger als fünf Prozent ihrer Beschäftigten haben einen Schwerbehinderten- oder gleichgestellten Status.

Vorteile für Betroffene

Für die betroffenen Beschäftigten bringt es Vorteile, ihren Status dem Personaldezernat mitzuteilen. Nicht nur, weil sich dann die SBV für sie einsetzen könne. Man dürfe beispielsweise keine Nachteile erhalten, wenn man Überstundenarbeit ablehne. Es gebe zudem einige Maßnahmen im Haus und externe Förderungen, die eine gute Arbeitsintegration ermöglichten. Etwa leisteten die Pflegelots*innen hervorragende Beratung. Auch staatlicherseits gibt es Unterstützung. Beispielsweise könnten über das Integrationsamt Hilfskräfte für Beschäftigte mit körperlicher Behinderung eingestellt werden. „Diese Chance möchte ich gerne mehr Menschen eröffnen“, sagt Hagemann.

Mit einer persönlichen Beobachtung unterstreicht er seinen Wunsch, dass mehr Menschen mit Schwerbehinderung an der Universität Stuttgart arbeiten sollen:

„Ich habe den Eindruck, dass eine schwerbehinderte Person ihre Stelle viel mehr und verantwortungsbewusster ausfüllt, als eine nichtbehinderte Person.“

Kurt Hagemann

Weiter steht auf seiner Agenda der Einsatz für Barrierefreiheit an den Gebäuden und im Digitalen. Die Digitalisierung von Prozessen biete große Chancen, den Umgang mit Dokumenten auch barrierefrei auszugestalten. Bei Gebäuden zögen sich manche Maßnahmen zu einzelnen Rampen über mehrere Jahre – das sei auch fürs Image der Universität nicht gut. Insbesondere beim Brandschutz wünscht sich Hagemann sinnvolle Lösungen. Evakuierungsliegen oder ‑stühle für Mobilitätseingeschränkte müssten z. B. von zwei Personen getragen werden. Das sei keine praktische Lösung.

Insgesamt habe sich die Zusammenarbeit mit der Verwaltung in den zurückliegenden Jahren deutlich verbessert, wenn es auch immer wieder einzelne Auseinandersetzungen gebe, die Hagemann sichtlich fassungslos erzählt. Seit Mitte 2022 habe er ein monatliches Treffen mit der Leitung des Personaldezernats. Jetzt seit Januar wurde die Runde um den Inklusionsbeauftragten Eggert erweitert. Hagemann wünscht sich, dass die Verwaltung die Mitwirkungspflicht der SBV von sich aus beachtet.

Mit einem Lächeln fasst er zusammen: „Es ist ein Kampf. Aber ich führe ihn gern.“

Sind Sie selbst betroffen?

Dieses Bild zeigt Kurt Hagemann

Kurt Hagemann

 

Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen

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