Steinfußtheater spielt „Die Physiker“

Passend zu dem Projekt „Eine Uni – ein Buch“ hat die studentische Theatergruppe Steinfußtheater, die vom Studium Generale des Zentrums für Lehre und Weiterbildung betreut wird, das Stück „Die Physiker“ an drei Abenden auf die Bühne gebracht.

Wer ist hier verrückt, wer gibt nur vor verrückt zu sein? Mit viel Spielfreude und beeindruckendem schauspielerischen Talent hat das Steinfußtheater der Uni Stuttgart Dürrenmatts Physiker auf die Bühne gebracht. Bei der Premiere am 28. Februar im Café Faust konnte sich das Ensemble über ein volles Haus freuen und über Zuschauende, die gebannt der Handlung um geniale Patienten, ermordeten Krankenschwestern, entnervten Gesetzeshütern und einer ehrgeizigen Oberärztin folgten.

Eine keineswegs einfach zu verdauende Komödie sind die Physiker des Schweizer Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt, und keineswegs einfach zu spielen. Da ist der Wechsel zwischen Wahnsinn und Normalität, und die Thematik um die Verantwortung der Wissenschaft, die mit anspruchsvollen Textpassagen einhergeht. Dennoch: Die zehn Studierenden, die aktuell zum Ensemble der Steinfuß-Theatergruppe gehören, haben sich für dieses Werk entschieden und reihen sich damit überaus passend in das Projekt „Eine Uni – ein Buch“ ein.

Christian Kohler als Johann Wilhelm Möbius.
Pflegerin Monika (Clara Schmegner) fühlt sich zu Möbius hingezogen.

Überzeugend wahnsinnig

Vorhang auf: Das Sanatorium, sprich die Irrenanstalt, präsentiert sich als Raum aus grünem OP-Stoff. Mehr Bühnenbild ist nicht nötig. Die Schauspielerinnen und Schauspieler agieren gekonnt. Da spricht Johann Wilhelm Möbius mit abwesend glänzendem Blick von seinen Gesprächen mit König Salomo und Pflegerin Monika gesteht ihm überaus charmant ihre Liebe. Oder Einstein, der gerade noch auf dem Rücken liegend Luftgeige spielte, und der leicht grunzende Newton outen sich plötzlich als berechnende Spione. Es ist schwer zu glauben, dass hinter dieser Leistung keine angehenden Schauspieler stehen, sondern Studierende der Fächer Informatik, Sozialwissenschaften, Architektur, Erneuerbar Energien und Softwaretechnik.

Weit mehr als Textarbeit

Im April letzten Jahres hat die Gruppe zusammengefunden. Seitdem standen viele Proben und Probenwochenenden an. „Schauspiel ist echtes aufeinander reagieren, und das muss man erst lernen“, erklärt die Theaterpädagogin Nicole Schütte, die mit den Studierenden das Stück erarbeitet hat. Den Text zu lernen, ist da nur ein Part von vielen. So gilt es etwa neben dem Feilen an der Sprache und am Körperausdruck auch die Biografie der Protagonisten zu erarbeiten. Letzteres sei besonders wichtig, sagt Nicole Schütte, um die notwendige psychologische Tiefe zu erreichen und damit Authentizität.

Fräulein Doktor Mathilde von Zahnd (Gabriela Cetraz) mit Kriminalinspektor Richard Voß (Kevin Amann).
Der eifrige Polizist Guhl (Nikita Harkov) mit Kriminalinspektor Richard Voß und der resoluten Oberschwester Marta Boll (Hejer Berguiga).
Der Missionar Oskar Rose (Stephan Schroth, ganz rechts), seine Frau Lina Rose (Clara Schmegner, dritte von links) und die Kinder Amalia-Helene (Hejer Berguiga), Jörg-Lukas (Nikita Harkov) und Adolf-Friedrich (Justus Günthermann).

Alle haben hier eine Macke

Inspektor Voss hat einen Tick: der Griff zur blonden Stirnlocke, ein Lächeln, dann hat er sich wieder – fast – unter Kontrolle, denn die resolute Oberschwester Marta weist ihn ohne Wenn und Aber zurecht. Auch der Umgang mit Oberärztin Fräulein von Zahnd ist alles andere als einfach. Die zunächst scheinbar überaus fürsorglich agierende Kettenraucherin zeigt immer mehr ihr wahres Ich. Einen an Frankenstein erinnernden Pfleger fest im Griff, springt sie schließlich machtbesessen umher, sieht sich von König Salomo auserkoren. Alle haben hier ihre Macken, auch der eifrig protokollierende Polizist und der von jeder Leiche begeisterte Gerichtsmediziner. Alle sind sie irgendwie krank, sehen bleich aus, oder tragen Masken, wie die Ex-Frau von Möbius, deren abwesend wirkende Kinder nebst ihrem steifen Missionar.

Eine tolle Entwicklung

Auch Maske, Kostüme und Bühnenbild haben die Schauspielerinnen und Schauspieler mit Bravour gestaltet, dazu noch Werbung und die Technik – und nebenher lief das ganz normale Studium. „Die Leute haben sich toll entwickelt“, freut sich die Regisseurin, die zusammen mit Regieassistentin Laura Birkenfelder enorme Entwicklungen bei den Schauspielenden ausmacht und überaus zufrieden mit der Aufführung ist. Die Akteurinnen und Akteure genießen am Ende ihren wohlverdienten Applaus: Gabriela Cetraz, Hejer Berguiga, Clara Schmegner, Stephan Schroth, Emre Can Dikme, Sascha Zeller, Christian Kohler, Justus Günthermann, Nikita Harkov und Kevin Amann verneigen sich – und lächeln entspannt.

Die Steinfußtheatergruppe der Universität Stuttgart wurde 1990 als Zusammenschluss von Studierenden gegründet. Die Gruppe gehört zum Studium Generale des Zentrums für Lehre und Weiterbildung. 2018 hat die Theaterpädagogin Nicole Schütte die Leitung übernommen. Die letzte Produktion war der „Diener zweier Herren“ von Carlo Goldoni.

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