Vorrangiges Ziel einer Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) ist es, Forschungsdaten für die akademische Welt nachhaltig zugänglich und auch für Dritte nutzbar zu machen. Nachdem Bund und Länder 2018 auf Empfehlung des Rats für Informationsinfrastrukturen den Aufbau einer Nationalen Forschungsdateninfrastruktur beschlossen hatten, initiierte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eine Ausschreibung zum Aufbau einer derartigen Infrastruktur. Mitte Oktober war die Deadline für die Einreichung der Vollanträge für die Förderung von NFDI-Konsortien. Die Universität Stuttgart ist an drei Anträgen beteiligt.
Damit ein solcher Wissensspeicher für die gesamte Forschungslandschaft entstehen kann, sollen sich innerhalb der NFDI Forschende und Infrastruktureinrichtungen zu sogenannten Konsortien zusammenschließen und verbindliche Standards, interoperable Dienste und verlässliche, einfach zu nutzende und sichere Infrastrukturen für ihre jeweilige Fachcommunity schaffen. Das soll den Umgang mit Forschungsdaten nach den sogenannten FAIR-Prinzipien ermöglichen und vereinfachen: FAIR steht für Findable, Accessible, Interoperable und Re-Usable.
Unterschiedliche Fachcommunities definieren und priorisieren diese Attribute unterschiedlich. Trotzdem ist das gemeinschaftliche Ziel, Daten in hoher Qualität abzulegen, für die Reproduktion und Wiederverwendung zur Verfügung zu stellen und so die Qualität und Nachvollziehbarkeit von Forschungsergebnissen insgesamt zu erhöhen und sicherzustellen. Der Aspekt der interdisziplinären Nachhaltigkeit der Forschungsdaten und der zur Verarbeitung zu schaffenden Standards ist eine weitere Kernaufgabe der NFDI.
Beteiligung an drei NFDI-Konsortien
Forscherinnen und Forscher der Universität Stuttgart haben sich gemeinsam mit dem beim IZUS angesiedelten Kompetenzteam für Forschungsdaten (FoKUS) und dem Höchstleistungsrechenzentrum (HLRS) an insgesamt drei NFDI-Konsortien beteiligt: im Bereich der Ingenieurwissenschaften (NFDI4Ing) und im Bereich der Mathematik (MaRDI) tritt die Universität Stuttgart als mitantragstellende Einrichtung auf, im Bereich der Materialwissenschaften (NFDI4MSE) als partizipierende Einrichtung. Insgesamt möchten Bund und Länder bis zu 30 solcher Konsortien fördern. Hierfür werden im Endausbau bis zu 70 Millionen Euro pro Jahr für die NFDI bereitgestellt. Für jedes Konsortium sind pro Jahr in der Regel 2 bis 5 Millionen Euro inklusive einer Programmpauschale von 22 Prozent vorgesehen.
Enge Verknüpfung zwischen den Konsortien der Bereiche Mathematik und Ingenieurwissenschaften
Die interdisziplinäre Natur der Mathematik spiegelt sich in der starken Verknüpfung von MaRDI mit anderen NFDI-Konsortien wider. MaRDI versucht, Beschreibungen von Modellen, Methoden, ihre abstrakte Rechtfertigung und ihre konkrete Implementierung in Simulationssoftware bezüglich der FAIR-Prinzipien so zu standardisieren, dass ein einheitliches Vokabular für Mathematikerinnen und Mathematiker und Anwenderinnen und Anwender entsteht. Auch für das Konsortium NFDI4Ing stellt Simulations- und andere Forschungssoftware einen Schwerpunkt dar. Insbesondere die Tatsache, dass diese Software von Ingenieurinnen und Ingenieuren entwickelt wird, stellt spezielle Anforderungen an die zu entwickelnden Werkzeuge und zu unterstützenden Workflows. In diesem Zusammenhang ist es sehr erfreulich, dass das Stuttgarter Exzellenzcluster „Daten-integrierte Simulationswissenschaft (SimTech)“ in den beiden Konsortien MaRDI und NFDI4Ing als Partner auftritt und die international anerkannte Stuttgarter Expertise in diesem Bereich in die NFDI einbringen kann.
Bereich der Materialwissenschaften: Standards zu schaffen, ist ein Kernziel
Die Herausforderungen im Bereich der Materialwissenschaften sind vielschichtig. Ein wesentliches Problem ist die Fülle an stark heterogen strukturierten experimentellen Datensätzen, deren Interpretation die Einbeziehung einer Fülle von Metaparametern erfordert (z. B. Prüfmaschinentyp). Zusätzlich werden experimentelle Ergebnisse immer von der Historie der Probe beeinflusst. Die Beschreibung solcher Abhängigkeiten ist heute nur sehr eingeschränkt möglich. Die Schaffung von designierten Ontologien und Standards ist deshalb ein Kernziel des Konsortiums NFDI4MSE. Die Zustände des Materials und ihre prozessbedingten Veränderungen sollen durch digitale Zwillinge abgebildet werden. Die Definition geeigneter standardisierter Schnittstellen zwischen Experiment und Simulation ist deshalb erforderlich. Hierzu sollen an der Universität Stuttgart Ontologien zur Erstellung synthetischer Mikrostrukturen und ihre Kopplung an Experimente sowie an Simulationssoftware entwickelt werden.
Das Förderverfahren ist nicht streng wettbewerblich ausgerichtet, sondern fokussiert vor allem auf die Kooperation der konsortialen Vorhaben. Es wird damit gerechnet, dass ab 1.10.2020 etwa 5 bis 8 Konsortien gefördert werden. Die Universität hofft, dass die Anträge mit Stuttgarter Beteiligung in der ersten Runde dabei sein werden. Die Universitätsleitung begrüßt das überaus starke Engagement ihrer Forscherinnen und Forscher in diesem Thema und sieht darin eine konsequente Fortsetzung ihrer strategischen Bemühungen um eine qualitätsvolle Forschungsinfrastruktur.