Musikalische Solidaritätsbotschaft für Partneruniversität in Bergamo

4. Juni 2020

Mihály Zeke ist seit März Universitätsmusikdirektor der Universität Stuttgart. Der Corona-Lockdown hat seine Musizierlust und die des Ensembles nicht eindämmen können. Schnell entstand die Idee, eine musikalische Solidaritätsbotschaft für die Partneruniversität in Bergamo als „virtuelles Ensemble“ einzuspielen. Welche weiteren Pläne der neue Universitätsmusikdirektor hat, erzählt er im Interview.

Die Idee zum "Virtual-Verdi-Solidaritätsprojekt" der Unimusik Stuttgart entstand in den ersten Wochen des europaweiten Corona-Lockdowns als Reaktion auf zwei Bedürfnisse. Aus der Sehnsucht der Mitglieder des akademischen Chores und Orchesters, sich trotz der Pflicht zur sozialen Fernhaltung in Gedanken und in musikalischen Tönen wieder in diese große Familie zu begeben, wie sie es sonst im wöchentlichen Rhythmus tun, und im Musizieren Trost und Kraft zu schöpfen. Und aus dem Wunsch mehrerer Chormitglieder, die durch die Partnerschaft der zwei Institutionen einen persönlichen Bezug zur Universität Bergamo haben, auf musikalische Weise ein Zeichen der Solidarität mit der wohl auf europäischen Ebene von der Corona-Pandemie am schlimmsten betroffenen Stadt zu setzen.

Ausgewählt wurde der berühmte Gefangenenchor „Va, pensiero“ aus Verdis Oper „Nabucco“, der wie kein anderer Opernchor die Sehnsucht nach Heimat und Freiheit zum Ausdruck bringt. Jede und jeder sollte nach einigen Vorgaben seine Instrumental- bzw. Vokalpartie üben und in den eigenen vier Wänden aufnehmen. Aus diesem riesigen Puzzle wurde dann mit technischen Mittel ein gemeinsamer Chor- und Orchesterklang zusammengestellt!

Ein gelungenes Experiment

Diese Einspielung ist nun fertig. „Ein gelungenes Experiment, denn auch wenn so ein virtuelles Ensemble nie die Koordination der real nebeneinander hörenden und spielenden Personen erreichen kann, durchdringt die emotionale Kraft der Aussage und die Vorstellungskraft der Musiker*innen doch die Entfernung!“ erklärt Mihály Zeke. „Das stärkt in uns die Hoffnung, dass das menschliche Mitgefühl, das aufeinander Hören und aneinander Denken, diese der Musik so zu Grunde liegenden Qualitäten, dazu beitragen können, dass wir als Europa und als Menschheit in dieser schwierigen Zeit zusammenhalten und gemeinsam besser werden können.“

Virtual-Verdi-Solidaritätsvideo

© Universität Stuttgart | Quelle: YouTube

Das Grußwort spricht Maria Rimini-Döring, eine Sängerin des akademischen Chores, die aus Bergamo stammt. Das Musikstück beginnt bei 2:42 Minuten.

Mihály Zeke ist seit März Universitätsmusikdirektor der Universität Stuttgart.

Interview mit dem neuen Universitäts­musikdirektor

Mihály Zeke freut sich, „mit begeisterten jungen Menschen arbeiten und sie durch die Entdeckung und Aufführung großer Werke der Chor- und Orchesterliteratur begleiten zu dürfen“. Wir haben ihn nach seinen Plänen gefragt.

Was sind Ihre Pläne für die nächsten zwei Jahre?

Nach aktueller Planung wollen wir im Februar 2021 wieder in der Liederhalle mit einem der spannendsten Oratorien der ganzen Musikgeschichte auftreten, Mendelssohns „Elias“. Darüber hinaus sehe ich auch getrennte Auftritte für den akademischer Chor und das akademischer Orchester, etwa in der Stiftskirche oder im Züblin-Haus vor. Für 2022 stehen die Pläne noch nicht fest. Tendenz ist aber, ein größeres, außerhalb des europäischen Kontinents entstandenes Werk aufzuführen.

Fester Bestandteil des Unimusiklebens sind auch Reisen – deren Rahmen bestimmt die Auswahl des Repertoires mit. Durch die aktuelle Corona-Krise müssen wir bei unseren Überlegungen mit mehreren Parametern jonglieren und Kontingenz-Pläne schmieden! Natürlich hoffen alle Unimusiker*innen, dass in Deutschland und anderswo bald wieder unter normalen Bedingungen musiziert werden darf.

Mihály Zeke möchte einen stärkeren Akzent auf a cappella Singen setzen.
Welche Akzente möchten Sie setzen?

Mit dem Chor möchte ich einen stärkeren Akzent auf a cappella Singen setzen. Mit dem Orchester möchte ich einerseits die Tradition der Erarbeitung großer sinfonischer Werke fortsetzen – dabei auch die ursprünglich für dieses Sommersemester vorgesehene 5. Sinfonie von Tschaikowsky baldmöglichst nachholen –, andererseits aber auch regelmäßiger moderne Orchesterliteratur des 20. und 21. Jahrhunderts erkunden.

Können Sie uns einige Stationen Ihrer Karriere nennen?

Ich wurde 1982 in London geboren, wuchs dann in Ungarn und Griechenland, den Heimaten meiner beiden Musiker-Eltern, auf. In meiner Jugend galt meine Liebe gleichermaßen der Kunst und der Wissenschaft. Zunächst trat ich ein Studium der Biologie an, nach einer maßgeblichen Begegnung mit Helmuth Rilling entschied ich mich aber schließlich doch für die Musik und trat an der Musikhochschule Stuttgart ein Doppelstudium in Kirchenmusik und Klavier an, später kam dann das Aufbaustudium in Chor- und Orchesterleitung. Die nächste Station war Dijon, wo ich drei Jahre Opernchordirektor war, dann weitere drei Jahre in Paris. Von dort aus leitete ich projektweise den im Burgund basierten Kammerchor Arsys und arbeitete freischaffend, unter anderem in England, Deutschland und Ungarn. Ins geliebte „Ländle“ kam ich 2018 mit einer Professur an der Hochschule für Kirchenmusik in Tübingen.

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