Fintechs, Bitcoins und andere Kryptowährungen revolutionieren das Geldwesen und bringen das traditionelle Bankwesen zunehmend in Bedrängnis. Bei dem Symposium des Betriebswirtschaftlichen Instituts (BWI) zum Thema „Wie bezahlen wir in Zukunft“ an der Universität Stuttgart gaben Experten tiefe Einblicke in das Zahlungswesen von morgen.
Die klare Erkenntnis vorweg, die auch Banken wie die LBBW betrifft: Die Entwicklung lässt sich nicht zurückdrehen. Es geht darum, die digitalen Prozesse und Möglichkeiten zu verstehen und sich darauf einzustellen, will man nicht als bestehende Bank gezwungen sein zu schließen. Klar ist deshalb auch: Vieles wird sich verändern (müssen).
Die Deutschen und das Bargeld
„Die Deutschen verweigern nach wie vor hartnäckig allen Versuchen, das Bargeld abzuschaffen“, berichtet Prof. Henry Schäfer, Leiter der Abteilung Allgemeine Betriebswirtschaftslehre (ABWL) und Finanzwirtschaft des BWI, in seinem Vortrag „Geld bleibt Geld“. Im Ritt durch die Geschichte des Zahlmittels nennt er Geld ein „wandlungsfähiges ökonomisches Phänomen“. Derzeit entwickeln sich die Möglichkeiten bargeldlosen Zahlens im Zuge der Digitalisierung rasant weiter und werden, so der Konsens unter den Experten, Bargeld letztlich vollständig verdrängen. In Deutschland indes betragen die Zahlungen mit Bargeld im Jahr 2017 immer noch gut 74 Prozent. Ganze vier Prozent begrüßen die Abschaffung des Bargelds, zitiert Schäfer eine aktuelle Umfrage der zum genossenschaftlichen Sektor gehörenden Teambank. Zu berücksichtigen ist dabei, dass diese Einstellung vor allem bei den über 50-jährigen Befragten vorherrscht.
Kryptowährungen und das Darknet
Mit Bitcoins und Co. komme es zur maximalen Form der Anonymisierung. Die digitale Währung werde erwiesenermaßen im sogenannten Darknet in erheblichem Umfang für illegale und kriminelle Zahlungen eingesetzt, warnt der Finanzwissenschaftler. Derzeit ist die Gesetzeslage allerdings so, dass Kryptowährungen nicht als Buchgeld und zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs eingesetzt werden dürfen, so Schäfer: „Es ist nach derzeitiger Einschätzung von Währungsbehörden auch nicht mit ihrer gesetzlichen Legitimation zu rechnen.“
Berufsbedingt entspannter sieht Michael Maier von der Internet Direktbank Fidor Solutions Digital die Entwicklungen. Digital Natives, die eine blitzschnelle Geschwindigkeit des Netzes voraussetzen, erwarten nach seiner Einschätzung von ihrer Bank anderes, „als das, was die klassischen Sparkassen anbieten.“ Maier ist absolut überzeugt von Dienstleistungen wie die seiner Bank, zumal man im Internet der Dinge (IoT) im Jahr 2020 bei 13 Milliarden online-Transaktionen sein werde und beim kontaktlosen Bezahlen bei etwa zwölf Milliarden Transaktionen. Stand heute seien es etwa eine Milliarde Transaktionen.
Der Wille des Kunden als Befehl
„Wir werden in Zukunft Daten strukturieren müssen – aus den Devices heraus, aus den Communities, aus den Sensoren, aus den Apps – damit wir zentral genau dann das tun können, was der Kunde in dem Moment haben möchte.“ Der Kunde wolle sofort bezahlen, in einem bestimmten Moment etwas angeboten bekommen. Dazu müsse es möglich werden, mit den verschiedensten Diensten zu bezahlen. Es müssen Informationen und damit auch Zahlungen auf verschiedensten Kanälen gleichzeitig synchron angeboten werden können. Technisch sei das eine Herausforderung, aber machbar.
Im Jahr 2008 entstand der Bitcoin und die dahinter stehende Blockchain Technologie, die derzeit mit Abstand größte virtuelle Währung mit 113 Milliarden Marktkapitalisierung. Bahnbrechend bei der Blockchain Technologie ist, dass „das Ganze ein Netzwerk ist, das direkt zwischen den Teilnehmern funktioniert“, berichtet Sven Korschinowski von KPMG. Genau an diesem Punkt müssen sich „die Banken grundsätzlich warm anziehen, wenn sie nicht auf Mashup setzen.“ Letzteres bedeutet, dass sie Teil eines größeren Ganzen werden. „Wenn die Banken das verstehen, werden sie erfolgreich sein“, meint Maier. Allerdings gibt Korschinowski als Experte für Zahlungsverkehr zu bedenken, dass die finanzielle Anonymität durch Blockchain-Lösungen durchaus gefährdet sei.
Wo bleiben die Banken?
Die Möglichkeiten bargeldlosen Zahlens entwickeln sich im Zuge der Digitalisierung immer weiter. „Banken braucht man eigentlich nicht“ – sagt Schäfer deshalb an einer Stelle und lässt mit dem Wort „eigentlich“ Raum für Diskussionen auch beim anschließenden Stehempfang.
Wo also sind die Banken in diesen neuen Systemen? Spielen sie überhaupt noch eine Rolle? Helmut Dohmen, Digitalexperte bei der LBBW zitiert wie Schäfer den Satz von Mircrosoft Gründer Bill Gates, der prognostizierte: Das Bankwesen ist unentbehrlich, Banken sind es nicht. Dohmen widerspricht: „Das war im Jahr 1984, aber wir sind immer noch da.“ Allerdings stimmt der Vertreter einer klassischen Universalbank mit einem Filialnetz ein in die einhellige Podiumsmeinung, dass grundsätzlich andere Geschäftsmodelle notwendig seien.
Dohmen zeichnet zwar ein eher düsteres Bild, nicht zuletzt weil die Rahmenbedingungen derzeit so unklar seien. Unter anderem die Ing-Diba habe es aber geschafft, „durch Neuaufstellung im digitalen Bereich den Firmen Google und Amazon vor Ort in Amsterdam Stellen wegzuschnappen. Das heißt, die Leute gehen wieder zu den Banken“, berichtet er und setzt für die Banken auf ein Licht am Ende des Tunnels, sofern sie sich radikal wandeln.