Fahrzeuge der UNICARagil-Familie: Paketauslieferung, Taxi, Kleinbus oder Familienfahrzeug

Vollautomatisiert und fahrerlos

24. Mai 2023, Nr. 28

Projekt UNICARagil zeigt, wie autonomes Fahren im gemischten Verkehr sicher funktionieren kann – Abschlussevent mit vier Prototypen
[Bild: UNICARagil/ Timo Woopen]

Fahrerlose und automatisierte E-Fahrzeuge, deren Komponenten wie Module bei IT-Diensten funktionieren und die sich agil an die Umgebung anpassen – das war das Ziel des Forschungsverbunds UNICARagil, an dem auch das Institut für Fahrzeugtechnik Stuttgart (IFS) der Universität Stuttgart beteiligt war. Bei einem Abschlussevent im Mai 2023 präsentierte das Konsortium aus acht Universitäten und neun Unternehmen nun vier vollständig autonome Fahrzeugprototypen. Sie zeigen, wie zukünftige Mobilität gelingen kann und erfüllen gleichzeitig komplexe Aufgaben aus dem individuellen und öffentlichen Verkehr sowie des Gütertransports.

Bei der Bewältigung der Herausforderungen, die sich aus einem steigenden Mobilitätsbedarf und der fortschreitenden Urbanisierung ergeben, werden automatisierte und vernetzte Fahrzeuge eine Schlüsselrolle einnehmen. Sie schaffen die Grundlage für einen nachhaltigen und intelligenten Straßenverkehr, neuartige Mobilitäts- und Transportkonzepte sowie Verbesserungen der Verkehrssicherheit und Lebensqualität im urbanen und ländlichen Raum. 

Dafür geeignete Fahrzeugkonzepte erfordern jedoch eine wesentlich leistungsfähigere und updatefähige Informationsverarbeitung im Kraftfahrzeug, die mit der bisher in der Automobilindustrie vorherrschenden evolutionären Weiterentwicklung bestehender Systeme und Konzepte nur begrenzt erreichbar ist. Daher wurde im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 32 Millionen Euro geförderten Projekts UNICARagil das Fahrzeug, seine Entwicklung und die darunterliegenden Architekturen revolutionär neu gedacht. 

Ziel des Projekts war es, durch die Kooperation führender deutscher Universitäten im Bereich automatisiertes Fahren mit spezialisierten Unternehmen die Grundlagen für ein nutzerzentriertes und an den menschlichen Fähigkeiten orientiertes Konzept des fahrerlosen Fahrens zu schaffen. Bewusst wurde darauf verzichtet, aktuelle Fahrzeuge umzubauen oder zu erweitern, die grundsätzlich aus einem Fahrwerk, einem Antrieb und einer Karosserie bestehen. Stattdessen entwickelte das Konsortium eine komplett neue Fahrzeugstruktur, die das Fahrwerk mit dem Antrieb „verheiratet“ und in vier Dynamikmodulen zusammenfasst. Diese treiben jeweils ein einzelnes Rad an, führen, lenken und bremsen. Verbunden werden diese Module über eine Fahrplattform, die dank der neuartigen Radführung auch alle Räder um 90° einlenken kann und so auch seitlich in kleinste Parklücken passt. 

Paketauslieferung, Taxi, Kleinbus oder Familienfahrzeug: Die Einsatzmöglichkeiten der UNICARagil-Familie sind vielseitig und flexibel.

Flexibles Baukastenprinzip

Entsprechend der beabsichtigten Nutzung von Fahrzeugen können individuelle Kabinen auf die Fahrplattform gesetzt werden. Dieses Baukastenprinzip erlaubt maximale Flexibilität in der Innenraumgestaltung bei minimalem Entwicklungsaufwand für eine zukünftige Serienproduktion. Um Fahrzeuge sinnvoll zu automatisieren, bedarf es nicht nur vielfältiger Sensor-Technologien, sondern auch einer modularen Steuerungs-Intelligenz. 

Neben der Entwicklung generischer Sensormodule lagen weitere Forschungsschwerpunkte auf der Umfeld-Erkennung, einer flexibel erweiterbaren und update-fähigen Software- und Hardware-Struktur sowie der Vernetzung und Absicherung all dieser Elemente. Ähnlich wie beim menschlichen Gehirn basieren die UNICARagil-Prototypen dabei nicht auf einem zentralen Rechner, sondern auf einer Rechnerarchitektur, die auf mehreren Ebenen arbeitet. Sie vernetzt dazu das sogenannte Großhirn mit dem Stammhirn und den Dynamikmodulen und sichert so alle anfallenden Aufgaben mehrfach ab. Die Dienste-orientierte Software-Architektur erlaubt agile Updates, die zur Laufzeit integriert werden. Die funktionale Architektur umfasst zusätzlich eine Cloud, in der das eigentliche Lernen aus „Erfahrung“ stattfindet, die Straßeninfrastruktur wie etwa Sensoren an Ampeln und sogenannte „Info-Bienen“, worunter kleine automatisierte Luftfahrzeuge verstanden werden. Die Vernetzung zwischen diesen Bausteinen ermöglicht es den Fahrzeugen, auch in unübersichtlichen Verkehrssituationen vorausschauend und sicher mit herkömmlichen Pkw und Nkw zu interagieren. 

Das IFS-Team in UNICARagil unter der Leitung von Prof. Hans-Christian Reuss (3.v.r.) und Dr. Dan Greiner (Mitte).

Sechs Aufgabenbereiche an der Universität Stuttgart

Das Institut für Fahrzeugtechnik Stuttgart (IFS) der Universität Stuttgart war an UNICARagil für die folgenden Aufgabenbereiche verantwortlich:

  • Leitung des Arbeitspakets Mechatronische Architektur
  • Ethernet-basierte Fahrzeugnetzwerkarchitektur
  • Modulare zonenbasierte und ausfallsichere Energieversorgung
  • Ladesäulen für kabelgebundenes Laden mittels Gleichstrom sowie induktives Laden einschließlich des selbstständigen Lokalisieren der Primärspule durch das Fahrzeug
  • Hardware für das Steuergerät „Stammhirn“ als Teil eines fahrzeugweiten Redundanzsystems
  • Thermomanagement-Systems für die Kühlung der E/E-Komponenten sowie die Klimatisierung der Fahrzeuginnenräume.

Von Lieferfahrzeug bis Familienmodell

Die Flexibilität der vier fahrerlosen Fahrzeugprototypen demonstrierte das Konsortium beim öffentlichen Abschlussevent anhand unterschiedlicher Anwendungen: Das autoCARGO zeigt die vollautomatische Paketauslieferung, das autoTAXI, wie individuelle Motto-Taxis in Zukunft private oder geschäftliche Meetings während der Fahrt zum Bahnhof ermöglichen können. Das autoSHUTTLE stellt eine flexible Ergänzung des ÖPNV im ländlichen Raum dar und das Fahrzeugmodell autoELF thematisiert ein privates und individuell gestaltbares Familienfahrzeug. 

Fachlicher Kontakt:

Dr. Dan Greiner, Universität Stuttgart, Institut für Fahrzeugtechnik Stuttgart, Tel.: +49 711 685 65743, E-Mail 

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