„Die Politik steht beim Thema Hochschulfinanzierung im Wort“

21. Mai 2014, Nr. 28

Aktionstag Hochschulfinanzen an der Universität Stuttgart

Trotz massiv gestiegener Studierendenzahlen wurde die Grundfinanzierung der Universitäten in Baden-Württemberg seit 1997 kaum erhöht. Da zudem eine ausreichende Finanzierung für dringend erforderliche Sanierungen und Neubauten fehlt, müssen die Universitäten mittlerweile auch Gelder, die eigentlich der Forschung und Lehre zugute kommen sollten, für die Sanierung und die Instandhaltung der Gebäude einsetzen. „Auch an der Universität Stuttgart sind die Grenzen der Belastbarkeit erreicht“, sagte der Rektor der Universität Stuttgart und stellvertretende Vorsitzende der Landes-Rektorenkonferenz, Prof. Wolfram Ressel, heute im Rahmen einer Informationsveranstaltung zum landesweiten Aktionstag „Weiter Sparen heißt Schließen“. Er forderte, die Politik müsse den Worten nun auch Taten folgen lassen und die wiederholt in Aussicht gestellten angemessenen Rahmenbedingungen für Studierende und Lehrende endlich realisieren. Weitere Redner bei der Veranstaltung waren Dominik Schlechtweg und Matthias Niethammer als Vertreter der Studierenden, Prof. Dr. Herbert Kohler, Leiter Konzernforschung und Nachhaltigkeit sowie Umweltschutzbeauftragter der Daimler AG sowie Michael Steinlen, Vorsitzender des Personalrats der Universität Stuttgart.

Bei der zentralen Kundgebung auf dem Campus Stadtmitte, an der mehrere hundert Studierende, Lehrenden und Beschäftigte teilnahmen, erörterte Wolfram Ressel detailliert die prekäre finanzielle Situation: An der Universität Stuttgart ist die Zahl der Studierenden seit 1998 um 63 Prozent auf heute 26.500 gestiegen. In der gleichen Zeitspanne haben sich die Kosten für Energie- Bau- und Gebäudebewirtschaftung mehr als verdoppelt (211 Prozent). Berücksichtig man überdies die Inflationsrate, so bleiben heute nur noch 55 Prozent der Mittel von damals für Forschung und Lehre übrig. Umgerechnet auf Köpfe bedeutet dies, dass für einen Studienanfänger oder eine Studienanfängerin nur noch rund ein Fünftel des Geldes aus dem Jahr 1998 zur Verfügung steht.

Trotz bundesweiter Spitzenwerte bei den eingeworbenen Drittmitteln werde die Universität Stuttgart die jetzigen Angebote in Forschung und Lehre mittelfristig nur aufrechterhalten können, wenn die Grundfinanzierung das gewachsene Leistungsspektrum der Universität solide abdecke, betonte Ressel. Dies habe Folgen weit über die Universität hinaus: „Wenn sich diese Schere weiter öffnet, wird es für die Universität Stuttgart sehr schwer werden, ihre bisherige sehr gute Positionierung in der internationalen Hochschullandschaft zu halten“, so Ressel. Ansonsten würde nicht nur die Universität, sondern auch der Standort Stuttgart und der Wirtschaft in der Region Schaden erleiden: „Ein international wettbewerbsfähiger Standort wie Stuttgart braucht auch eine Universität mit weltweiter Strahlkraft.“

Schuldenbremse darf nicht zur Bildungsbremse werden

Seitens der Studierenden betonten Dominik Schlechtweg und Matthias Niethammer: „Die mangelnde Mittelausstattung der Universitäten bedroht die Qualität und Unabhängigkeit der Lehre. Die Grundlage von Forschung und Innovation ist in Gefahr. Die Schuldenbremse darf nicht zur Bildungsbremse mutieren.“

Mit einer Entscheidung über den Solidarpakt III, der die Finanzierung der Hochschulen bis zum Jahr 2020 regelt, ist in den nächsten vier bis sechs Wochen zu rechnen. Die Landesrektorenkonferenz (LRK) hat sich intensiv bemüht, in gemeinsamen Verhandlungen und bilateralen Gesprächen mit den verantwortlichen Ministerien eine verlässliche Finanzierungsgrundlage zu erzielen. Trotz erster Signale seitens der Landesregierung besteht jedoch weiterhin große Sorge, dass den Universitäten keine Verbesserung ihrer finanziellen Ausstattung zugesagt wird.

Sollte dies der Fall sein, drohen auch an der Universität Stuttgart Streichungen und Schließungen – mit empfindlichen Folgen für Studierende und Beschäftigte, aber auch für Wirtschaft und Gesellschaft in der Region. So müssten in den nächsten fünf Jahren im Wissenschaftlichen Dienst bis zu 140 Stellen (15 Prozent) eingespart werden. Neben der Verschlechterung der Betreuungssituation und der Studienbedingungen insgesamt droht die Schließung von Studiengängen beziehungsweise Instituten. Des Weiteren wird ein Anstieg der Abbrecherquoten befürchtet, was wiederum den Fachkräftemangel in der Wirtschaft verschärft und die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit Baden-Württembergs gefährdet. Bausanierungen müssen deutlich zurückgefahren werden, die Forschungsausstattung veraltet.

Aber auch auf die Stuttgarter Bevölkerung dürften Einschnitte zukommen: So müssten zum Beispiel die beliebten Gasthörerveranstaltungen reduziert und Bibliotheken früher geschlossen werden; statt der angestrebten Internationalisierung droht die Provinz.

Weitere Informationen:

Dr. Hans-Herwig Geyer, Universität Stuttgart, Hochschulkommunikation, Tel. 0711/685-82555, E-Mail: leitung.hkom@hkom.uni-stuttgart.de

Zum Seitenanfang