Trefferquote toppt jeden Fußballprofi

20. Mai 2010, Nr. 48

Uni präsentiert automatisierten Torschützen für Standardsituationen

Treffsicher wie Michael Ballack, schussstark wie einst Gerd Müller – vielleicht wären die Verletzungsprobleme der deutschen Fußball-Nationalmannschaft schnell gelöst, würde die FIFA David, den automatisierten Fußballschuh des Instituts für Automatisierungs- und Softwaretechnik (IAS) der Universität Stuttgart zur Nominierung zulassen. Der überragende Torschütze drischt die Bälle mit einer Geschwindigkeit von 130 Stundenkilometern und verwirklicht Freistöße mit einer Quote, von der andere Ballkünstler nur träumen können. Entwickelt wurde David als Herausforderer für den automatisierten Torhüter GOALIAS, der sich schon seit zwei Jahren als echter Elfmeter-Killer erweist.

GOALIAS, ebenfalls eine Entwicklung des IAS, war einer der Publikumsmagneten beim „ IdeenPark 2008“ auf der Stuttgarter Messe. Seither wurden auf den automatisierten Torhüter über 15.000 Schüsse abgegeben, über 90 Prozent davon konnte er halten. Um GOALIAS weiter zu verbessern, muss dieser jedoch auch bei wiederholten, sehr schnellen und sehr präzisen Schüssen getestet werden. Nicht einmal Profispieler sind zu einem solchen Trommelfeuer in der Lage, und auch konventionelle Ballschussmaschinen genügten den Anforderungen nicht.

So entstand am IAS die Idee von David, dem automatisierten Torschützen, der gegen GOALIAS antreten sollte. Die Hauptanforderungen waren schnell festgelegt: Schussstark wie die Weltelite sollte er sein, Bälle andrehen können und hierbei Rotationsgeschwindigkeiten von bis zu 20 Umdrehungen/Sekunde erreichen. Zudem sollte er in der Lage sein, wiederholt Bälle mit annähernd derselben zuvor festgelegten Schussbahn abzuschießen. Um die Leistungsfähigkeit der modernen Automatisierungstechnik zu demonstrieren, fiel die Entscheidung, den Torschützen vollständig zu automatisieren. Da das IAS zudem junge Menschen für den Ingenieursberuf und insbesondere für die Automatisierungstechnik begeistern möchte, wurden die Teilsysteme von Studierenden im Rahmen von Studien- und Diplomarbeiten durchgeführt.

David wurde in Form eines Fußballschuhs konstruiert und seine Grundidee besteht darin, dass der Benutzer über eine grafische Eingabemöglichkeit die Schussbahn festlegen kann. Der automatisierte Fußballschuh soll sich daraufhin automatisch ausrichten und auf Knopfdruck den Ball abschießen. Was sich so einfach anhört, ist jedoch ein recht komplexes Gesamtsystem. Zur Vereinfachung wurde das Projekt deshalb in sechs Teilsysteme aufgeteilt:

1. Das Abschusssystem
Abgeschossen wird der Ball mittels zweier parallel laufender Bänder, die den Ball erfassen und beschleunigen. Um den Ball zum Rotieren zu bringen, laufen die beiden Bänder mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Für die geforderten Geschwindigkeiten sorgen zwei Asynchronmotoren mit einer Nennleistung von jeweils 5,5 Kilowatt.

2. Das Ausrichtungssystem
Damit David in jede Raumrichtung schießen kann, ist das Abschusssystem um drei Achsen ausgerichtet. Je nach Zielpunkt und Form der Schussbahn erfolgt eine Drehung nach links oder rechts sowie nach oben oder unten. Um zusätzlich die Rotationsachse senkrecht zur Flugrichtung des Balls frei wählen zu können, ist auch eine Drehung um die Abschussachse möglich. Die horizontale Drehung sowie die Drehung um die Abschussachse werden mit Servomotoren realisiert, die über ein Getriebe an Zahnkränzen angreifen. Die Ausrichtung in der Vertikalen erfolgt durch einen elektrischen Hubzylinder. Die mechanische Konstruktion wurde in Kooperation mit dem Institut für Konstruktionstechnik und Technisches Design unter der Leitung von Prof. Hansgeorg Binz durchgeführt.

3. Die zentrale Steuerung
Die zentrale Steuerung stellt die Koordination des Systems sicher und berechnet aus den Abschussparametern, die von der Schussbahnberechnung geliefert werden, die Stellsignale für die Motoren. Zu diesem Zweck wird ein Entwicklungsboard eingesetzt, das über unterschiedlichste Schnittstellen zur Interaktion mit den anderen Teilsystemen verfügt. Die Ansteuerung der Motoren erfolgt über das Übertragungsverfahren CAN, die Kommunikation mit dem Bediensystem beziehungsweise der Schussbahnberechnung über Ethernet. Des Weiteren kommuniziert die zentrale Steuerung über eine serielle Schnittstelle mit dem Positionsbestimmungssystem und dem Sicherheitssystem.

4. Benutzungsschnittstelle und Schussbahnberechnung
Um die grafische Eingabe der gewünschten Schussbahn zu ermöglichen, sieht das Bedienkonzept eine dreidimensionale Darstellung des Spielfelds vor, in der die errechnete Schussbahn eingezeichnet wird. Der Benutzer hat die Möglichkeit, durch Verschieben des Zielpunkts im Tor und das Einzeichnen einer Abwehrmauer die Schussbahn zu beeinflussen. Außerdem kann er zwischen 4 Leistungsstufen (Champions League, Bundesliga, Regionalliga und Jugendliga) wählen, um damit die Schussgeschwindigkeit zu beeinflussen. Steht die Schussbahn fest, wird das Ergebnis in Form der Abschussparameter an die zentrale Steuerung gesendet, die dann den Ausrichtungsprozess durchführt. Danach kann per Knopfdruck der Abschussbefehl gegeben werden. Eingabe und Berechnung erfolgen über einen robusten, stiftbedienbaren Computer (Tablet-PC), der auch den Beanspruchungen in rauer Fußballatmosphäre gewachsen ist.

5. Positionsbestimmung
Damit das System eine Schussbahnberechnung durchführen und eine grafische Darstellung der realen Situation erfolgen kann, muss die Position von David auf dem Spielfeld bekannt sein. Dabei soll David möglichst flexibel an beliebigen Positionen vor dem Tor aufgestellt werden können. Deshalb ist es unerlässlich, Davids Position relativ zum Tor bei jedem Positionswechsel zu erfassen. Da dies manuell sehr aufwendig wäre, erfasst ein Laserdistanzsensor die Torpfosten bestimmt und durch Triangulation (eine Methode zur Entfernungsmessung mit Licht) die Position der Maschine.

6. Das Sicherheitskonzept
Bei einer Geschwindigkeit von 130 Stundenkilometern wird ein Ball zu einem gefährlichen Geschoss. Hinzu kommen Gefahren durch hohe elektrische Spannungen zum Betrieb der Motoren. Ein wichtiges Thema bei der Entwicklung Davids war deshalb auch dessen Betriebssicherheit. Das Herzstück des Sicherheitssystems bildet dabei ein Sicherheits-Laserscanner, der an ein Nothalt-System angeschlossen ist und den Bereich vor David überwacht. Dieser Bereich ist unterteilt in ein Schutzfeld unmittelbar vor der Maschine sowie ein Warnfeld, das die weitere Umgebung abdeckt. Erkennt der Laserscanner ein Objekt im Schutzfeld, wird sofort ein Nothalt ausgelöst. Befindet sich ein Objekt im Warnfeld, läuft die Maschine weiter, es kann jedoch kein Abschuss ausgelöst werden.

Weitere Informationen:
Institut für Automatisierungs- und Softwaretechnik
Prof. Peter Göhner
Tel. 0711/685-67301
e-mail peter.goehner@ias.uni-stuttgart.de

sowie bei

Dr. Nasser Jazdi
Tel. 0711/685-67303
e-mail: nasser.jazdi@ias.uni-stuttgart.de

David, der automatisierte Fußballschuh. (Foto: IAS/Universität Stuttgart)
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