Stadt – Land – Fluss

4. November 2011, Nr. 112

Szenarien für die Gestaltung einer Flußaue

Flüsse in Stadtnähe werden von den Bewohnern oft als Bedrohung vor Hochwasser wahrgenommen. Als Schutzmaßnahme wurden sie meist verdohlt oder eingedeicht – der Bezug zur Stadt und der Kontakt zu den Bewohnern ging so verloren. Dies ist auch in Neckarsulm, einer Stadt in der Nähe von Heilbronn, der Fall. Die hochwassersichere Lage oberhalb der Mündung der Sulm in den Neckar war einst wichtig für Gründung und Entwicklung der Stadt, die beide Flüsse in ihrem Namen trägt. Doch mit der Bebauung von tiefer liegenden Flächen, nahm die Hochwassergefährdung zu. Die Stadt möchte nun gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Stuttgart von den Instituten für Landschaftsplanung und Ökologie sowie für Wasserbau und Wassermengenwirtschaft Szenarien entwerfen, die Stadt, beide Flüsse und Bevölkerung wieder zusammenführen.

Westlich des Neckarufers liegt eine unbebaute Auenlandschaft. Die Flächen werden regelmäßig überflutet und sind für den Hochwasserschutz von großer Bedeutung. Bisher betrachtet die Bevölkerung die weitläufigen Wiesen vor allem als Zwischenraum, den es auf dem Weg zur Autobahn zu überwinden gilt. Doch aus gesamtstädtischer Sicht liegt das Gebiet nicht am Rand, sondern zentral zwischen Kernstadt und dem Stadtteil Obereisesheim, zwischen Autobahn und Firmen wie Audi beziehungsweise zwischen Neckar und Freibad. Trotzdem gibt es bisher für diesen wichtigen Landschaftsraum kein übergeordnetes Entwicklungskonzept. Projekte der letzten Jahre wie Bachrenaturierungen, Parkplatzbau oder Baumpflanzungen blieben Einzelmaßnahmen und entwickelten untereinander keine Synergieeffekte.

Hier setzen nun die Stuttgarter Wissenschaftler mit dem Projekt „Zukunftsbild Neckaraue“ an. Sie entwickeln ein Leitbild für den zentral gelegenen Landschaftsraum, das alte Sichtweisen aufbricht, um zukünftige Möglichkeiten aufzuzeigen. Die Flächen befinden sich im Wesentlichen im Besitz der Stadt Neckarsulm. Das neue Konzept soll verschiedenen Nutzungsansprüche genügen und bauliche Entwicklungen ermöglichen. Eine zentrale Rolle spielen das bewusste Gestalten mit der natürlichen Fließgewässerdynamik und der Umgang mit dem Hochwasser. Mit wasserbaulichen und landschaftsgestalterischen Strategien soll die Dynamik des Neckars nicht mehr nur als Einschränkung, sondern als Gestaltungspotenzial betrachtet werden. Dies eröffnet völlig neue Spielräume.

Bei dem Projekt handelt es sich nicht um eine gewöhnliche Rahmenplanung, sondern es findet ein Kommunikationsprozess, der die Sichtweisen von Neckarsulmern, Stadtverwaltung und Experten zusammenbringt, statt. Mögliche Entwicklungen werden in Szenarien dargestellt, die sich für eine Diskussion über die Zukunft dieser Landschaft eignen. Fragen sind beispielsweise: Kann innerhalb des auf-geweiteten Flussprofils eine eigendynamische ökologische Entwicklung stattfinden? Können die Niederungen regelmäßig überflutet werden? Oder könnte eine neue Insel alle intensiven Nutzungen aufnehmen und einen attraktiven städtischen Zielpunkt in den Auen bilden? Im nächsten Schritt entwickeln die Wissenschaftler dann eine langfristig tragfähige Strategie und einen Rahmenplan. Viele verschiedene Einzelmaßnahmen können sich in diesen Rahmen einfügen und über längere Zeiträume hinweg umgesetzt werden.

Ansprechpartner:
Prof. Antje Stokman, Institut für Landschaftsplanung und Ökologie,
Tel. 0711/685-83380, e-mail: antje.stokman@ilpoe.uni-stuttgart.de.

 
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