Mikroskopaufnahme während der Biomineralisierung mit den Bakterien. Das ausfallende Calciumcarbonat ist als weiße Punkte sichtbar. Foto: J. Connolly, Montana State University.

Damit CO2 im Boden bleibt

13. September 2017, Nr. 078

Wissenschaftler der Universität Stuttgart wollen Versiegelungstechnologien verbessern
[Bild: J. Connolly, Montana State University]

Ein Vorschlag im Kampf gegen den globalen Klimawandel lautet, CO2 von den Abgasen aus Kraftwerken oder Fabriken zu trennen und tief im Untergrund zu speichern. Auch Erdgas und andere Gase könnten im Boden zwischengespeichert werden, um Schwankungen bei den Erneuerbaren Energien zu puffern. Damit die Gase auch bei unvorhergesehenen Zwischenfällen dauerhaft im Boden bleiben, werden als Vorsichtmaßnahme Versiegelungstechnologien wie die Biomineralisation eingesetzt. Wissenschaftler am Lehrstuhl für Hydromechanik und Hydrosystemmodellierung der Universität Stuttgart wollen diese Technologien in einem neuen Forschungsprojekt verbessern.

Um die international vereinbarten Klimaziele umzusetzen, wird die CO2-Abscheidung und Speicherung vermutlich schon in naher Zukunft unumgänglich sein, insbesondere bei großen Produzenten des Klimagases wie etwa Kohle-Kraftwerken oder in der Zementproduktion. Auch Gas als Energieträger wird für die optimale Nutzung der erneuerbaren Energien vermutlich im Untergrund gespeichert werden müssen, um Schwankungen beim Bedarf und bei der Erzeugung Erneuerbarer Energien zu puffern. Optimal sind dafür Speicher-Reservoire, die durch undurchlässige Deckschichten von darüber liegenden Gesteinen oder Grundwasserleitern getrennt sind. Allerdings kann CO2 erst ab einer Mindesttiefe von etwa 800 Metern effektiv gespeichert werden, bei Erdgas oder synthetischen Gasen reichen geringere Tiefen aus.

Die detaillierten geologischen Gegebenheiten potentieller Speicherformationen sind jedoch oft nicht präzise bestimmbar. Daher ist es trotz aller Sorgfalt möglich, dass an unbemerkten Schwachstellen oder durch mechanische oder geochemische Prozesse während der Injektion Gase aus einem Speicher austreten. Solche Leckagen sind zwar nur selten gefährlich, mindern aber die Effizienz des Verfahrens. Um sie zu verhindern, werden gezielte Versiegelungstechnologien wie etwa Zementleiminjektionen oder die Biomineralisierung eingesetzt.

Mikroskopaufnahme während der Biomineralisierung mit den Bakterien. Das ausfallende Calciumcarbonat ist als weiße Punkte sichtbar. Foto: J. Connolly, Montana State University.
Mikroskopaufnahme während der Biomineralisierung mit den Bakterien. Das ausfallende Calciumcarbonat ist als weiße Punkte sichtbar.

Zu letzteren zählt die mikrobiell induzierte Calciumcarbonatausfällung (MICP). Bei diesem bereits etablierten Verfahren wird durch gezielt in die abzudichtenden Bereiche eingebrachte Bakterien und weitere Stoffe tief im Untergrund Calciumcarbonat produziert, ein natürliches, zementähnliches Mineral. Durch die geringe Viskosität der dabei eingesetzten wässrigen Lösungen und die geringe Größe der Bakterien können mit diesem Verfahren recht große Bereiche abgedichtet und auch kleine Poren effektiv verschlossen werden.

Erfolgreiches Modellkonzept wird weiterentwickelt

Wissenschaftler am Lehrstuhl für Hydromechanik und Hydrosystemmodellierung der Universität Stuttgart haben in den vergangenen Jahren ein komplexes numerisches Modellkonzept für diese Biomineralisierungsmethode entwickelt und erfolgreich getestet. Im Rahmen des neuen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit 268.300 Euro geförderten Projektes mit dem Titel „Erweiterung von Modellkonzepten für technisch kontrollierte Kalziumkarbonatausfällung unter besonderer Berücksichtigung mehrerer antreibender Prozesse, des Temperatureinflusses und der Zweiphasenströmung“ soll dieses Modell jetzt weiterentwickelt werden. So suchen die Wissenschaftler nach Wegen, um die MICP-Methode auch in tieferen Erdschichten anwenden zu können. Dies ist bisher noch nicht möglich, da die Bodentemperatur mit der Tiefe steigt und die effektivsten Bakterien nur bis zu einer Temperatur von 45° Grad überlebensfähig sind.

Partner an der Montana State University in Bozeman, USA, experimentieren mit alternativen Verfahren, bei denen die Funktion der Bakterien durch das Enzym Urease oder von der Erdtemperatur selbst übernommen wird. Um auch diese Methoden besser zu verstehen, sollen auch die Effekte hoher Temperatur beziehungsweise des Enzyms in das Modell einbezogen und simuliert werden. Ziel ist ein numerisches Biomineralisierungsmodell, das die diversen Wege der induzierten Calciumcarbonatausfällung (ICP) abbildet.

Strömungszustände im Blick

Des Weiteren richten die Wissenschaftler ihr Augenmerk auf die Strömungszustände in solchen Gasspeichern. Da Wasser und Gas sich nur begrenzt vermischen, kommt es zu kapillaren Effekten, wie man es beim Aufsaugen von Wasser in einen Schwamm beobachten kann. Ebenso können sich die beiden Phasen gegenseitig blockieren: Ist eine Pore mit Wasser gefüllt, muss sich das Gas einen Umweg suchen oder das Wasser verdrängen. Welchen Weg die Fluide tatsächlich nehmen, hängt von deren Eigenschaften ab, aber auch von den Charakteristika der Feststoffe. Letztere verändern sich im Verlauf der Ausfällung, da sich immer mehr Calciumcarbonat anreichert und damit die Porengeometrie und die Mineralienzusammensetzung an der Oberfläche ändert. Auch diese Effekte sollen in dem im erweiterten Modell berücksichtigt und die Parameter in Experimenten bestimmt werden, um die Wirkung einer ICP-Anwendung präzise planen und bewerten zu können.

Fachlicher Kontakt:

Johannes Hommel, Universität Stuttgart, Lehrstuhl für Hydromechanik und Hydrosystemmodellierung, Tel.: 0711/685 64600, Mail: johannes.hommel[at]iws.uni-stuttgart.de

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