Brückenbauer zwischen Ingenieur- und Geisteswissenschaften

12. September 2011, Nr. 95

Dr. Reinhold Bauer erhält Ruf für Leibinger Stiftungs-Professur „Wirkungsgeschichte der Technik“

Zwischen Naturwissenschaft, Technik, Gesellschaft und Kultur bestehen vielfältige Wechselwirkungen, die drängende Fragen nach Bedingungen und Folgen technischen Wandels aufwerfen. Sie zu erforschen ist das Ziel der neuen Stiftungsprofessur „Wirkungsgeschichte der Technik“ an der Universität Stuttgart, für die die Berthold Leibinger Stiftung der Uni in den kommenden zehn Jahren 1,5 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Mit dem Hamburger Technikhistoriker Dr. Reinhold Bauer konnte nun zum kommenden Wintersemester eine ideale Besetzung für den neuen Lehrstuhl gefunden werden. Bauer ist Autor des auch über die Fachwelt hinaus bekannt gewordenen Buches „Gescheiterte Innovationen und technologischer Wandel“ und forscht unter anderem zu den Schwer-punkten Historische Innovationsforschung, Verkehrsgeschichte, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der DDR sowie Industrialisierungs-geschichte.

„Herr Dr. Bauer hat uns in allen Phasen des Berufungsverfahrens überzeugt, dass er genau der Richtige ist, um die Brücke zwischen den Ingenieur- und den Geisteswissenschaften und zurück zu schlagen“, betont der Rektor der Universität Stuttgart, Prof. Wolfram Ressel. „Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit und haben mit ihm gemeinsam schon höchst interessante Ideen für künftige fakultätsübergreifende Projekte diskutiert.“

„Die Bedingungen und Folgen technischen Wandels in seinen historischen Zusammenhängen sowie die Wechselwirkungen zwischen Naturwissenschaft, Technik, Gesellschaft und Kultur sollen an diesem Lehrstuhl erforscht werden und helfen, Antworten auf drängende Fragen zu finden“, umreißt der Stifter des Lehrstuhls Berthold Leibinger seine Beweggründe. „Technik ist Teil der Kultur, sie prägt und verändert sie, sie ist in dieser gestaltenden Kraft manches Mal unterschätzt und unterbewertet.“

Dr. Reinhold Bauer wurde 1965 in Rheine/Westfalen geboren und studierte Technikgeschichte, Neuere Geschichte und Kraftfahrzeugtechnik an der Technischen Universität Berlin. 1998 promovierte er dort mit der Arbeit „PKW-Bau in der DDR. Entwicklungslinien und Innovationsprobleme“. Die Lehrbefugnis für die Fächer Sozial-, Wirtschafts- und Technikgeschichte erwarb er 2005 an der Helmut Schmidt Universität (HSU) Hamburg mit der bereits erwähnten Habilitationsschrift „ Gescheiterte Innovationen und technologischer Wandel. Zu den Gründen innovatorischen Scheiterns.“ Seither ist er als Privatdozent an der HSU sowie an der HafenCity Universität Hamburg tätig. Bauer ist unter anderem Redakteur der Zeitschrift „Technikgeschichte“, Beisitzer im Vorstand der „ Gesellschaft für Technikgeschichte“ und Mitglied in der Bereichsvertretung Technikgeschichte des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI). Einigen Stuttgartern dürfte er bereits durch den Vortrag „ Krisenreaktionen. Die Automobilindustrie vor den Herausforderungen der 1920er und 1930er Jahre“ bekannt sein, den er im Juni 2011 im Rahmen der Reihe „Auto.Mobil.Geschichte. Im Rathaus“ des Internationalen Zentrums für Kultur und Technikforschung der Universität Stuttgart gehalten hat.

„Es geht mir vor allem darum, die komplexen soziokulturellen Bedingungen und Folgen technischer und in Verbindung damit auch gesellschaftlicher und kultureller Entwicklung zu vermitteln“, beschreibt Bauer die Ziele seiner Arbeit an der Universität Stuttgart. „Für eine in Forschung und Lehre interdisziplinär ausgerichtete Hochschule wie die Universität Stuttgart wird die vermittelnde Funktion einer Wirkungsgeschichte der Technik zwischen den unterschiedlichen Wissens- und Wissenschaftskulturen von Technik- und Naturwissenschaften einerseits sowie Geistes- und Sozialwissenschaften andererseits von besonderer Bedeutung sein."

Die neue W3-Stiftungsprofessur ist am Historischen Institut der Philosophisch-Historischen Fakultät der Uni Stuttgart angesiedelt. Der Lehrstuhlinhaber soll übergreifend mit praktisch allen Fakultäten der Universität zusammenarbeiten und außerdem im Internationalen Zentrum für Kultur und Technikforschung der Universität Stuttgart (IZKT) mitwirken. In der Lehre soll die Stiftungsprofessur insbesondere den Master „Wissenskulturen“ mit neuen Ideen bereichern. Für die ingenieur- und naturwissenschaftlichen Studiengänge wird der neue Lehrstuhl Lehrveranstaltungen anbieten, in denen die Studierenden disziplinübergreifendes Wissen erlangen und für fächerübergreifende Fragestellungen sensibilisiert werden – Kernkompetenzen, die auch für die Reifung der Persönlichkeit künftiger Führungskräfte wichtig sind.

Pressekontakte:
Berthold Leibinger Stiftung, Johann-Maus-Str. 2, 71254 Ditzingen,
Brigitte Diefenbacher, Tel. 07156/303-35201
e-mail: brigitte.diefenbacher@leibinger-stiftung.de
Universität Stuttgart, Abt. Hochschulkommunikation, Keplerstr. 7, 70174 Stuttgart, Birgit Vennemann, Tel. 0711/685-82211,
e-mail: birgit.vennemann@hkom.uni-stuttgart.de

Die gemeinnützige Berthold Leibinger Stiftung GmbH wurde 1992 von Professor Dr.-Ing. E.h. Berthold Leibinger aus Mitteln seines Privatvermögens gestiftet. Die Stiftungszwecke sind Wissenschaft und Kultur, Soziales und Kirche. Die Stiftung hat seit Gründung Projekte mit mehr als fünf Millionen Euro gefördert. Geschäftsführerin der Stiftung ist Brigitte Diefenbacher.
Die Universität Stuttgart pflegt ein interdisziplinäres Profil mit Schwerpunkten in den Natur- und Ingenieurwissenschaften. Zu ihren Besonderheiten gehört die Verzahnung dieser Fächer mit den Sozial- und Geisteswissenschaften. Gegründet 1829, hat sich die frühere Technische Hochschule zu einer weltweit nachgefragten Ausbildungs- und Forschungsstätte mit rund 20.000 Studierenden entwickelt.


 

Dr. Reinhold Bauer
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