Architekt Frei Otto gestorben

11. März 2015, Nr. 14

Universität Stuttgart trauert um Pionier des Stuttgarter Leichtbau

Die Universität Stuttgart trauert um einen der großen Pioniere des Leichtbaus, den Stuttgarter Architekt und Konstrukteur Frei Otto, der am 9. März kurz vor der Vollendung seines 90. Lebensjahres verstorben ist. Frei Otto leitete im Zeitraum von 1964 bis 1991 das Institut für Leichte Flächentragwerke (IL), das nach der Verschmelzung mit dem Institut für Konstruktion und Entwurf II im Jahr 2000 nun Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren (ILEK) heißt.

Prof. Wolfram Ressel, der Rektor der Universität Stuttgart, zum Tode Frei Ottos: „Wir trauern um einen Exponenten der „Stuttgarter Schule“, der seit seinen Berufung als Professor an der Universität Stuttgart 1964 in bedeutendem Maß zum internationalen Renommee unserer Fakultäten Architektur und Stadtplanung sowie Bau- und Umweltingenieurwissenschaften beigetragen hat. Prägend für die Universität Stuttgart bleiben seine intensive interdisziplinäre Arbeitsmethode und seine weltweit beachteten Leistungen als großer Gestalter des Leichtbaus wie die Zeltdach-Konstruktion des Münchener Olympiastadions. In unsere Trauer mischt sich die Freude über die Nachricht, dass Frei Otto posthum als erst zweiter Deutscher den Pritzker-Preis, also den „Nobelpreis der Architektur“, erhalten soll“.

Frei Otto wurde 1925 geboren. Er studierte ab 1948 Architektur an der TU Berlin und promovierte dort 1953 mit der berühmt gewordenen Arbeit „Das hängende Dach“, die 1954 als Buch erschien. Die Jahre danach waren von der Arbeit in seinem Berliner Atelier geprägt. In dieser Zeit entstanden eine Vielzahl grundlegender Untersuchungen über die Prinzipien des Leichtbaus, insbesondere zu Minimalflächen, Seilnetz- und Membrankonstruktionen. Ebenfalls in dieser Zeit entwarf Frei Otto auch eine Reihe kleinerer, aber wichtiger Bauten, beispielsweise für mehrere Bundesgartenschauen. Noch heute erhalten ist davon die Überdachung des „Tanzbrunnens“, die anlässlich der Bundesgartenschau 1957 in Köln errichtet wurde. Nach einer Reihe von Gastprofessuren an den Universitäten Washington, Ulm, Yale, Berkeley, MIT und Harvard wurde Frei Otto 1964 als Honorarprofessor an die Universität Stuttgart berufen. Mit der Berufung erfolgte die Gründung des Instituts für Leichte Flächentragwerke. Seit 1967 forschte und lehrte Frei Otto als ordentlicher Professor an der Universität Stuttgart.

Die Anfangsjahre Frei Ottos an der Universität waren sehr stark durch die Planung der Bauten der Olympischen Spiele 1972 geprägt, für die eine ganze Reihe von Instituten der Universität grundlegende Entwicklungs- und Forschungsarbeiten leisteten. Ein interdisziplinäres Forscherteam, in dessen Kern zunächst das Team um Frei Otto stand, legte in dieser Zeit die Grundlagen für die computergestützte Formfindung und Berechnung großer Seilnetzkonstruktionen, deren konstruktive Durchbildung, Berechnung und Dimensionierung. Das in dieser Zeit an der Universität Stuttgart entstandene Wissen, welches durch den Sonderforschungsbereich 64 „Weitgespannte Flächentragwerke“ und schließlich durch den Sonderforschungsbereich 230 „Natürliche Konstruktionen“ fortgeführt und kontinuierlich erweitert wurde, bildet die Grundlage für die weltweite Spitzenposition der Universität Stuttgart im Bereich des Leichtbaus in Architektur und Bauingenieurwesen.

Der interdisziplinäre Arbeitsansatz zieht sich durch das gesamte Schaffen von Frei Otto. Bereits 1961 gründete er zusammen mit dem Biologen Johann-Gerhard Helmcke in Berlin die Forschungsgruppe „ Biologie und Bauen“. Aus dieser Zusammenarbeit mit Helmcke und einer Reihe anderer Wissenschaftler, darunter Biologen, Mediziner, Sozialforscher, entstanden grundlegende Erkenntnisse über die Konstruktionsprinzipien in der lebenden und in der nichtlebenden Natur. Die Arbeiten des Sonderforschungsbereichs „Natürliche Konstruktionen“ stellten einen Höhepunkt in dieser Richtung und eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse dar. Diese und viele andere Kooperationen, über die hier im Detail nicht berichtet werden kann, führten zu einer Vielzahl neuer Erkenntnisse und Sichtweisen von auch heute noch – oder besser: gerade heute wieder – hoher Aktualität. Frei Otto hat die Architektur des 20. Jahrhunderts grundlegend beeinflusst.

Weitere Informationen:
Dr. Hans-Herwig Geyer, Leiter Hochschulkommunikation und Pressesprecher, Universität Stuttgart,
Tel.: 0711/685-82555, E-Mail: hans-herwig.geyer [at] hkom.uni-stuttgart.de

 
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