Essen der Zukunft

Unterhausdebatte im Rahmen des Projektseminars „Designed Food – die Zukunft der Ernährung?“ des IZKT der Universität Stuttgart und der Hochschule der Medien.
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Normalerweise wäre die Diskussionsrunde am 28. Januar um das Essen der Zukunft als Unterhausdebatte bewegt gewesen. Die rund 50 Teilnehmenden hätten sich, je nach ihrer Meinung zu einer Frage, zwischen den Ja- bzw. Nein-Plätzen umgesetzt. Im Online-Format übernahm dies ein Wechsel zwischen den Hintergrundfarben Grün und Rot.

Es gebe kein Richtig oder Falsch, betonten die Wissenschaftsjournalisten und Moderatoren der Veranstaltung, Alexander Mäder und Rainer Kurlemann. Die Debatte solle anregen, sich Gedanken zu machen, sei nur scheinbar konfrontativ. Sie trage auch dazu bei, Gemeinsamkeiten zu finden.

Die Veranstaltung fand statt im Rahmen des Projektseminars „Designed Food – die Zukunft der Ernährung? Einführung in die Wissenschafts­kommunikation“, das vom Internationalen Zentrum für Kultur- und Technikforschung (IZKT) der Universität Stuttgart und der Hochschule der Medien angeboten wird. Kooperationspartnerin war die Stadtbibliothek Stuttgart, die Moderation übernahmen die RiffReporter.

Preis – Qualität – Emotionen

Das Essen des Menschen verändert sich, seit der Mensch isst. Was heutzutage auf den Teller kommt, beeinflusse das Trio Preis, Qualität und Emotionen, führten die Moderatoren zur Einführung aus. Dabei gebe etwa die Suche nach dem günstigsten Preis der Massentierhaltung einen Schub, während der Wunsch nach Qualität manches Bioprodukt entdecken lasse. Und auch die Emotionen spielen eine Rolle bei der Nahrungsmittelauswahl. Wer greift nicht gerne zum Käse von glücklichen „Werbekühen“?

Weltweit gilt es bald über zehn Milliarden Menschen zu ernähren. Doch was tun, wenn die Landwirtschaft viel zum CO2 Ausstoß in die Atmosphäre beiträgt, die Massentierhaltung dem Tierwohl zuwider läuft und Monokulturen zu Tausenden von bedrohten Pflanzen- und Tierarten führen? Was also auf den Teller bringen, damit die Ernährung gesichert ist, die Umwelt aber nicht auf der Strecke bleibt?

Die Diskussion fiel so bunt aus, wie es die Schar der Teilnehmenden vermuten ließ. Viele berichteten von Umstellungen in der Ernährung. Andere dagegen sind schon mit ausgewogener Ernährung aufgewachsen oder, wie ein Diskussionsteilnehmer, vegan. Mal war die Gesundheit ausschlaggebend, um auf Milchprodukte und Gluten zu verzichten, mal sprachen ökologische Überlegungen dafür, den Fleischkonsum zu reduzieren, auf mehr regionale Produkte oder Bioqualität zu achten. Und es gab auch das: Weil das Containern neben Gemüse viel Joghurt und Käse auf den Teller bringt, stellte eine Diskutantin ihre vegane Ernährung wieder um. Laut einer Studie der Universität Stuttgart landen übrigens in Deutschland rund 85 Kilogramm Nahrungsmittel pro Einwohner und Jahr im Müll.

Was ist nachhaltig?

Sich nachhaltig ernähren, das bedeute schon auch Verzicht, meinte eine Mutter, wenn man etwa den Kindern erklären müsse, weshalb die Schulfreunde im Winter Erdbeeren zu essen bekommen, sie jedoch nicht. Allemal sei es jedoch stets ein Verzicht auf hohem Niveau, war sich die Runde einig. Würden doch viele Menschen weltweit den Lebensstandard hierzulande auch dann noch als eine Verbesserung des ihrigen wahrnehmen, wenn dieser um einiges kleiner ausfiele.

Ist es nachhaltig, wenn man sein Brot mit einer Backmischung innerhalb von Minuten in der Mikrowelle selber bäckt und damit Bäcker überflüssig werden? Ist es nachhaltig, wenn es für die Milch im Eis keiner Kuh mehr bedarf, weil Bakterien die Milchproteine liefern und das Eiweiß in Backprodukten nie im Ei war, sondern ebenfalls das Produkt von Bakterien ist? Könnte im Labor aus Stammzellen gezüchtetes Fleisch gar die Lösung sein? So ganz geheuer war den Diskutierenden diese Vorstellung nicht.

Reine Kopfsache – leckere Insekten

Dann sich vielleicht doch lieber an anderen Esskulturen orientieren, Algen und Insekten entdecken? Letztere allerdings bevorzugt eher verarbeitet, wie etwa zu Mehl. In eine Heuschrecke beißen hieße für viele, sich überwinden. Wenn man nicht gerade zur Familie von Michael Bullmer zählt. Bei dem Biologen, der das Unternehmen „Six feet to eat“ gegründet hat, kommen Insekten immer wieder auf den Teller. Auch seine Kinder mögen diese, erklärte er und gab eine kurze Einführung in die einfache Mehlwürmerzucht für zu Hause.

Hilft uns die Technik? Werden wir unsere Probleme um die Ernährung in der nächsten Zeit lösen können? Nach gut eineinhalb Stunden war sich die Runde nicht eins. „Die Technik kann schon helfen, aber die Veränderung muss in den Köpfen stattfinden“, fasste Alexander Mäder die inspirierende und engagiert geführte Diskussion zusammen. Rainer Kurlemann zeigte sich überrascht. Weit mehr Konfrontation hätte er erwartet, fand aber die große Bereitschaft der Teilnehmenden, verschiedenste Wege in die Lösung einfließen zu lassen, sehr beeindruckend.

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