Jun.Prof. Thomas Wortmann

Neuer Jun.Prof. Thomas Wortmann: Nachhaltig Bauen mit KI

Um Gebäude material- und energieeffizienter zu machen und so einen Beitrag gegen die globale Erderwärmung zu leisten, kommt man an computerbasierten Entwurfsmethoden nicht vorbei. Wie diese aussehen können, erforscht Jun.-Prof. Thomas Wortmann, neuer Tenure-Track-Professor für "Computing in der Architektur" am Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (ICD). Er setzt dabei auf Künstliche Intelligenz (KI) und das maschinelle Lernen.
[Foto: Norbert Barth]

Dass ein Architekturstudent sich aufs Programmieren fokussiert, scheint für Außenstehende eher ungewöhnlich. Doch genau so war es bei Thomas Wortmann, der nach dem Architekturstudium in Kassel am Massachusetts Institute of Technology (MIT) seinen Master in Design and Computation gemacht und sich auf Architekturinformatik spezialisiert hat. Am MIT hat man bereits in den späten 1960-Jahren darüber nachgedacht, wie Computer den Entwurf von Gebäuden unterstützen können; die erste CAD-Software reicht sogar noch weiter zurück.
Heute beschäftigt sich Architekturinformatik nicht mehr nur mit der Darstellung von Gebäuden, sondern analysiert Gebäude und simuliert zum Beispiel deren Energiebedarf. „Die Digitalisierung wird die Architektur unaufhaltbar verändern“, so das Credo von Thomas Wortmann, „um diesen Wandel zu gestalten, müssen Studierende Informatikmethoden beherrschen.“
Mit seiner Forschung hebt Wortmann das Zusammenspiel von Architektur und Informatik auf eine höhere Ebene. „Architekten greifen vieles aus der Informatik auf und probieren aus. Ich aber frage, wie und ob diese Methoden wirklich funktionieren. Die Antworten fließen dann zurück in die Informatik, für die unsere Fragestellungen oft zu pragmatisch sind.“

Future of us-Pavillon auf der Jubiläumsausstellung in Singapur. Die Schalenkonstruktion, bei der Thomas Wortmanns Informatikmethoden zum Einsatz kamen, besteht aus 10.000 Paneelen, die je einen anderen Öffnungsgrad haben. Dabei entstehen interessante Lichtsituationen und das Gebäude kommt – wichtig in Singapur – ohne Air Condition aus.

Neue Forschungsrichtung angestoßen

Wie ein solcher Brückenschlag in der Praxis aussehen kann, zeigt Wortmanns Promotion an der Singapore University of Technology and Design (SUTD), die 2009 in Kooperation mit dem MIT gegründet wurde. In seiner Arbeit simulierte und optimierte er den Energiebedarf von Gebäuden, um die energieeffizientesten Lösungen zu finden. Bis dato ging man davon aus, dass für derartige Optimierungen evolutionäre Algorithmen am besten geeignet sind. „Ich fand genau das Gegenteil heraus“, sagt Wortmann mit einem Anflug von Stolz. Tatsächlich erwiesen sich modellbasierte Algorithmen, die das maschinelle Lernen benutzen, für die Optimierung des Energiebedarfs als geeigneter, ähnliches gilt für die Optimierung von Tageslicht. „Solche Tests gab es bisher kaum, diese Forschungsrichtung habe ich mit angestoßen.“

Anwendungen in der Architektur gibt es dafür sehr viele. Möchte man zum Beispiel herausfinden, welche Form ein Hochhaus idealerweise haben muss, um die Windlast zu minimieren, ist bis dato die Numerische Strömungsmechanik (Computational Fluid Dynamics, CFD) die Methode der Wahl. Hierbei versucht man, strömungsmechanische Probleme approximativ mit numerischen Methoden zu lösen. Das Problem dabei: Eine einzige Berechnung kann mehrere Stunden dauern. Gebraucht werden bei Optimierungsaufgaben aber Tausende Simulationen. „Das ist nicht machbar“, sagt Wortmann.

Modellbasierte Algorithmen erlauben es, sehr viele Hochhaus-Alternativen anzuschauen und die mit der optimalen Windlast auszuwählen

Jun.Prof. Thomas Wortmann

Hier kommt das Maschinelle Lernen ins Spiel, indem ein neuronales Netzwerk so trainiert wird, dass es die Windlasten verschiedener Bauformen prognostizieren kann. Integriert man ein neuronales Netzwerk in den Algorithmus, wird ein Modell von dem abstrakten Raum geschaffen, in dem eine Lösung gesucht wird. „Solche modellbasierten Algorithmen sind zwar nicht so präzise, aber sehr schnell“, erklärt Wortmann. „Sie erlauben es, sehr viele Hochhaus-Alternativen anzuschauen und die mit der optimalen Windlast auszuwählen.“

Nächstes Ziel: Multikriterielle Lösungsräume

Bisher betrachten computerbasierte Entwurfsmethoden einzelne Erfolgskriterien wie Windlast, Energieeffizienz, Tageslichtqualität oder Materialverbrauch. In der realen Welt des Bauens sind diese Faktoren jedoch oft interdependent. Wortmanns Forschungsziel sind daher multikriterielle Lösungsräume, in denen mehrere Einzelaspekte gemeinsam simuliert werden. „Diese Aufgabenstellung ist sehr komplex“, beschreibt Wortmann die Herausforderung. „Das Problem definieren, eine Lösung finden und die Lösung verstehen, alles wird dann schwieriger.“

Performance Explorer. Diese Software optimiert nicht nur – in diesem Beispiel die Form des Pavillons links – sondern stellt den gesamten Lösungsraum dar und ermöglicht so Architekten und Ingenieuren seine interaktive Erkundung. So sind diese nicht auf eine, „optimale“ Lösung festgelegt, sondern erhalten durch ein maschinell erlerntes Modell sofortiges Feedback über die – in diesem Fall – statische Performance verschiedener Lösungen.

Professur passt gut in Exzellenzcluster IntCDC

Künftig plant er, auch Baufertigung und Ausführung stärker in diese Lösungsräume einzubeziehen – in enger Abstimmung mit Prof. Achim Menges und weiteren auf dem Gebiet der robotischen Fabrikation führenden Forschern des ICD. Dies ist ganz im Sinne des Exzellenzclusters Integratives computerbasiertes Planen und Bauen für die Architektur (IntCDC) an der Universität Stuttgart, in dem die Professur angesiedelt ist und der sich die konsequente Digitalisierung des Entwurfs- und Bauprozesses von der Planung bis zur Fertigstellung auf die Fahnen geschrieben hat.

„Schon bei der Planung mitzudenken, was auf der Baustelle passiert, ist in der Architektur relatives Neuland“, meint Wortmann. Es erfordert auch neue Strategien, um den Datenaustausch zwischen Entwurf, Statik, Fertigung und Endmontage auf der Baustelle in den Griff zu bekommen. Ein Problem, das sich in ähnlicher Weise übrigens auch zwischen den verschiedenen Bereichen des Exzellenzclusters stellt. Deshalb hat Wortmann gemeinsam mit Prof. Melanie Herschel vom Institut für Parallele und Verteilte Systeme (IPVS) der Universität Stuttgart einen runden Tisch zum Thema „Datenstrategie“ ins Leben gerufen, der sich damit beschäftigt, wie man die verschiedenen Teilnehmenden eines Planungs- und Bauprozesses informatisch verbindet. Ein Forschungsantrag mit Prof. Steffen Staab, ebenfalls am IPVS und Leiter der Abteilung Analytic Computing, soll folgen.

Speerspitze der Digitalisierung

In der Praxis sind Architekturbüros bisher allerdings oft eher konservativ aufgestellt, für manche ist der Tuschestift noch ein beliebtes Utensil. Bis Computersimulationen dort in der Breite ankommen, dürfte noch einige Zeit vergehen. „Derzeit richtet sich meine Forschung an die Speerspitze der Digitalisierung, aber die Architektenschaft wird sich dahin entwickeln“, prognostiziert Wortmann. Zumal die Tools sofort nützlich einsetzbar sind, um Gebäude effizienter zu machen. Ein Beispiel dafür ist das von Wortmann entwickelte Softwaretool Opossum, ein auf maschinellem Lernen basierendes Optimierungswerkzeug, das frei verfügbar ist und in Architektur- und Ingenieurbüros rund um den Globus zum Einsatz kommt. Inzwischen kann man das Tool bequem aus einem App-Store holen. „Wir hatten schon mehr als 5.000 Downloads“.

Acht Jahre in Asien

Vor seinem Wechsel nach Stuttgart lebte und arbeitete Wortmann sechs Jahre in Singapur und zwei Jahre in Suzhou, China. Aus Asien bringt er das Denken in großen Dimensionen mit. Suzhou ist „nur“ ein Vorort von Shanghai, hat aber sieben Millionen Einwohner. Auch andernorts in Asien erfordert die rasante Urbanisierung Raum für weitere Millionen Menschen. Die Dichte erzwinge es, mehr in die Höhe zu bauen und weiter in die Zukunft zu schauen, meint Wortmann: „Das macht die Asiaten sehr pragmatisch und offen für neue Technologien.“ Von diesem Spirit möchte sich der Wissenschaftler tragen lassen, um Städte in Deutschland klimafreundlicher und emissionsärmer zu machen, denn: „Nachhaltige Zukunft ist Zukunft in dichten Räumen.“

Kontakt:

Tenure-Track Prof. Dr. Thomas Wortmann, Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung, E-Mail
Tel.  +49 711 685 819 33                      

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