Neu an der Uni: Prof. Sibylle Baumbach

Faszination und Literatur: Sibylle Baumbach untersucht mittels kognitiver Ansätze, warum Texte in dieser oder jener Art auf uns wirken.

Prof. Sibylle Baumbach leitet seit Oktober 2018 die Abteilung Englische Literaturen und Kulturen am Institut für Literaturwissenschaft. Warum „Literaturen“? Ganz einfach, weil hier nicht nur Literatur aus Großbritannien gelehrt und gelesen wird, sondern beispielsweise auch Werke australischer oder neuseeländischer Provenienz. Zuvor hatte Baumbach den Lehrstuhl für Englische Literatur an der Universität Innsbruck bekleidet.

Shakespeare und Kognition

Seit vielen Jahren beschäftigt sich die Professorin mit den Dramen William Shakespeares: „Ein Schwerpunkt, den ich mitbringe, ist hier bereits verankert und betrifft die frühe Neuzeit“. Ihr zweiter Schwerpunkt sind die cognitive literary studies, die Verbindung von Literatur und Kognition. Baumbach untersucht mittels kognitiver Ansätze, warum Texte in dieser oder jener Art auf uns wirken. In einer ihrer jüngsten Publikationen, der Monographie „Literature and Fascination“ verbindet die Professorin, die einen Teil ihres Studiums an der Universität Cambridge verbrachte, ihre beiden Forschungsschwerpunkte. Sie untersucht, welche Rolle Faszination in Shakespeares Dramen spielt, welche Figuren diese Wirkungen erzielen und wie die Darstellung von Faszination im Theater mit Debatten zur Anziehungskraft des Theaters zusammenhängt.

Lesen wir noch?

Ein Folgeprojekt aus den Themen Literatur und Faszination ist die Beschäftigung mit der literarischen Aufmerksamkeit. „Gerade in der heutigen Zeit ist das hochaktuell. Derzeit stellt sich die Frage: lesen wir überhaupt noch beziehungsweise wie lesen wir?“ Pessimisten widerspricht Baumbach mit ihrer These: „Es gibt heute die sogenannten Mega-Novels, etwa die Harry Potter Bücher oder Game of Thrones. Die sind sehr lang und werden gleichwohl massenweise gelesen.“ Ihr Fazit: Es wird nicht unbedingt weniger gelesen, und es wird auch nicht unbedingt kürzer gelesen.

Tiefe oder geteilte Aufmerksamkeit

Zusammen mit ihren Studierenden widmet sie sich den Aspekten von ‚Deep Attention‘ und ‚Hyper Attention‘. Erstere meint eine tiefe Aufmerksamkeit, „wenn wir beispielsweise in lange Romane regelrecht eintauchen.“ Hyper Attention dagegen setzt geteilte Aufmerksamkeit voraus und bezeichnet das Springen zwischen unterschiedlichen Quellen von Aufmerksamkeit. Heutzutage scheint Hyper Attention die Oberhand zu haben. Das will sie anhand von literarischen Texten untersuchen.

Die Literatur hat auf technologische Veränderungen und damit auf die Veränderungen der Lesegewohnheiten reagiert. So gebe es z.B. E-Mail Romane, wie "Gut gegen Nordwind" des österreichischen Schriftstellers Daniel Glatthauer und den als Twitterature bezeichneten literarischen Gebrauch des Mikrobloggingdienstes Twitter, so die Professorin.

Wie genau die Literatur mit diesen Aufmerksamkeitsdiskursen umgeht, wie sie sie rezipiert und nicht zuletzt, wie Texte uns helfen, Deep Attention zu trainieren oder Hyper Attention zu fördern – genau das interessiert Baumbach. Dabei stellt sie klar, dass geteilte Aufmerksamkeit nichts Schlechtes sei. Biologisch sei unsere Aufmerksamkeit ohnehin selektiv. Auch die Literatur habe das Prinzip der geteilten Aufmerksamkeit in einer gewissen Art und Weise immer wieder angewandt. Und wieder ist sie bei Shakespeare. In dessen Tragödie Othello verkörpert zum Beispiel Jago eine dämonische Figur, die auf die Bühne kommt und dem Zuschauer unmissverständlich sagt, er spiele eigentlich nur den Guten, in Wirklichkeit sei er der Böse: „I am not what I am.“ Der Zuschauer muss den Charakter dahinter immer wieder neu mitdenken.

 

Prof. Sibylle Baumbach ist eine Art Sherlock Holmes der Aufmerksamkeiten in der Literatur. „Schon in den ersten Wochen gab es Anfragen von Studierenden, die diese kognitive Richtung einschlagen wollen“, freut sie sich. Projekte für Doktorarbeiten sind auch schon am Entstehen.
Prof. Sibylle Baumbach ist eine Art Sherlock Holmes der Aufmerksamkeiten in der Literatur. „Schon in den ersten Wochen gab es Anfragen von Studierenden, die diese kognitive Richtung einschlagen wollen“, freut sie sich. Projekte für Doktorarbeiten sind auch schon am Entstehen.

Stadtleben und Interaktion mit Technik

Mit Shakespeare und ihrer Forschung will sie sich auch am Stadtgeschehen beteiligen, indem sie mit den hiesigen Theatern kooperiert. Und nicht nur das: An die Universität Stuttgart kam Baumbach auch „wegen der sehr interessanten Forschungslandschaft“. Hier habe sie das gute Gefühl, dass sie viel ausprobieren, bewegen und anstoßen könne. Der technische Schwerpunkt an der Universität reizt Baumbach dazu, die Interaktion mit den Ingenieurwissenschaften zu forcieren. Etwa wenn es darum geht, empirische Studien zu Eye Tracking anzustellen, also Lesestudien, bei denen Augenbewegungen beim Lesen genau beobachtet werden.

Kontakt

Sibylle Baumbach

Prof.

Leiterin der Abteilung Englische Literaturen am Institut für Literaturwissenschaft

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