Das Spektrum möglicher Anwendungen von KI ist breit. Doch mit der neuen Technologie sind Hoffnungen und Ängste verbunden. Noch steht die öffentliche Beschäftigung mit dem Thema am Anfang. Das war Anlass für die Diskussion „Künstliche Intelligenz (KI) - Was kann sie, was soll sie, was darf sie?“ im Rahmen des Wissenschaftsfestivals. Rund 250 Gäste, darunter auch viele junge Leute, besuchten die Veranstaltung. Der weiße Saal des neuen Schlosses war trotz Hitze gut gefüllt, freute sich Dr. Simone Rehm, die Prorektorin für Informationstechnologie, in ihrem Grußwort.
Die Vision der Universität Stuttgart lautet „Intelligente Systeme für eine zukunftsfähige Gesellschaft“. Vor diesem Hintergrund veranstaltet die Universität verschiedene Formate, die zu einer Diskussion mit der Öffentlichkeit einladen. Die Podiumsdiskussion fand in Kooperation von Universität, dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg, dem Cyber Valley und der Landeshauptstadt Stuttgart, im Rahmen des Stuttgarter Wissenschaftsfestivals „Smart und Clever“ statt.
Auf dem Podium
Theresia Bauer MdL, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst der Landes Baden-Württemberg.
Philipp Hennig, Inhaber der Cyber Valley Professur „Methoden des Maschinellen Lernens“ an der Uni Tübingen.
Cordula Kropp, Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt Risiko- und Technikforschung an der Uni Stuttgart. Sie forscht zur „Soziologie der Algorithmen“.
Michael Resch, Direktor des Höchstleistungsrechenzentrums Stuttgart (HLRS) und Leiter des Instituts für Höchstleistungsrechnen.
Anja Lange: Moderatorin
Was kann KI?
Zunächst galt es, die Möglichkeiten und Potentiale von KI zu benennen. Mit KI eröffnen sich ganz neue Methoden und neue wissenschaftliche Anwendungen, zum Beispiel für die Bereiche Mobilität, Gesundheit, Bildung oder in der Kunst, erklärte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. „Wir könnten mit KI auch mehr Partizipation in der Demokratie erreichen.“
Auch Prof. Philipp Hennig breitete eine ganze Palette von Anwendungen aus, von automatisierter Agrarwirtschaft über personalisierte Medizin bis zur Simulation und Regelung von Fusionsreaktoren. „Was wir bisher an Anwendungen in China oder den USA sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs“, ist er überzeugt. Vieles ist jetzt möglich, sagte auch Prof. Michael Resch, „vor 30 Jahren hatten wir die heutige Rechenleistung noch nicht, jetzt hat praktisch jeder mit seinem Handy einen eigenen Supercomputer.“
Der Einsatz von KI kann dabei helfen, drängende Fragen der Gesellschaft zu lösen, war man sich auf dem Podium einig, beim Thema Klimawandel zum Beispiel. Darüber hinaus mache KI auf bestimmte Probleme erst aufmerksam, so würden Diskriminierungen mittels KI sichtbar.
Cyber Valley
Zum Stichwort Förderung bekannte die baden-württembergische Wissenschaftsministerin, dass es in Deutschland und in Europa nicht so viele Fördergelder wie in China oder den USA gebe. „Wir brauchen mehr Förderung vom Bund, um ein Kraftfeld zu schaffen, forderte sie. „Im Land nehmen wir Ressourcen in die Hand. Mit dem Cyber Valley haben wir Professuren eingerichtet, wir schaffen dort ein kreatives Umfeld, das Raum lässt für Experimentierfreude und Flexibilität.“ Wichtig seien auch wache Bürgerinnen und Bürger im Umfeld. Doch Geld allein sei nicht alles, so Theresia Bauer, zur Forschung gehöre auch die Freiheit, verschiedene Dinge ausprobieren zu können.
Das Cyber Valley sei eine gute Sache, eine „schlaue Idee“ meinten die vier Podiumsgäste. „Mich freut, dass hier überlegt wird, wie wir eine verantwortliche KI schaffen können, dass die Belange der Öffentlichkeit mitgedacht werden. Darin unterscheidet sich das Cyber Valley vom Silicon Valley in den USA“, so die Soziologin Cordula Kropp.
Was darf KI?
„Dürfen Maschinen über Menschen bestimmen?“, ist eine zentrale Frage für Kropp. Sie meint, die letzte Entscheidung sollte der Mensch haben. Oft sei dies allerdings schon jetzt nicht mehr so, z.B. was die Steuerung von Fahrzeugen oder Flugzeugen betrifft, wie der tragische Absturz der Boeing 737 zeige.
Der Mensch müsse nicht unbedingt letzte Instanz sein, widersprach Prof. Philipp Hennig und nennt als Beispiel die Medizintechnik. Hier sei KI mit bildgebenden Methoden oft besser als der Mensch, um z.B. Tumore zu erkennen.
Doch es gibt auch die Befürchtung, dass hinter KI-Entscheidungen wirtschaftliche Interessen stehen, dass die Entscheidungen also von Firmen manipuliert werden. Darüber hinaus sind die Prozesse so komplex, dass es meist nicht mehr nachvollziehbar ist, wie die Entscheidungen von Maschinen zustande kommen, erklärte Prof. Michael Resch. Dies verursache bei vielen Menschen Unbehagen.
Mensch oder Maschine
Was kann eine Maschine leisten, was der Mensch? „Die Maschine zwingt uns dazu, Regeln, die wir anwenden, zu hinterfragen. Dies mache oft erst sichtbar, dass sich unsere formalen Regeln widersprechen“, so Resch. Er führte in der Diskussion schließlich den Philosophen Descartes an und warf die Frage auf, was es für unser Selbstverständnis bedeute, wenn wir ein Werkzeug haben, das rationaler ist als der Mensch, obwohl doch Rationalität eine hervorstechende Eigenschaft des Menschseins beschreibe. Die Soziologin Kropp, gab zu Bedenken, dass es um noch mehr als die Ratio ginge, indem sie den Mathematiker und Philosophen Blaise Pascal zitierte: „Das Herz kennt Gründe, die der Verstand nicht kennt.“
Neue Formate für den Dialog mit der Gesellschaft
Bei dem Thema KI und entsprechende Entwicklungen sei die Einbeziehung der Bevölkerung sehr wichtig, darüber herrschte große Einigkeit auf dem Podium. Dabei seien alle in der Verantwortung, nicht nur die Politik. Ein gesellschaftlicher Diskurs von Politik, Bevölkerung, Wissenschaft und Wirtschaft sei erforderlich. Für diesen müssten neue Formate entwickelt werden. „Wir brauchen mehr Berührungspunkte von Wissenschaftlern und Bürgern. Vieles haben wir schon, z.B. die Reallabore oder verschiedene Veranstaltungen, doch das sollten wir intensivieren“, erklärte die Wissenschaftsministerin. Auch Beiräte mit Vertretern der Zivilgesellschaft wie beim HLRS und beim Cyber Valley übernähmen eine wichtige Aufgabe, so Resch und Bauer. Gespräche mit Schülerinnen und Schülern, z.B. Vertretern der Friday for Future Bewegung, älteren Menschen, Männern und Frauen, eben allen Teilen der Bevölkerung, müssten stattfinden. Die Gesellschaft müsse sich der Frage stellen, was wollen wir bzw. was wollen wir nicht.