Gemeinsame Forschungsprojekte von MIT und Universität Stuttgart

Das Global Seed Fund-Programm des Massachusetts Institute of Technology (MIT) unterstützt die Zusammenarbeit zwischen MIT-Fakultäten und Forschenden und ihren internationalen Kolleginnen und Kollegen.
[Foto: Christopher Harting, courtesy of MIT Image Library]

Ziel des MIT Seed Fund für die Universität Stuttgart ist es, gemeinsame Forschungsprojekte zu entwickeln und zu starten. Der Fonds ist offen für alle Disziplinen, er richtet sich insbesondere an Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler und soll auch Studierende einbeziehen. Der Höchstbetrag der Förderung beträgt 25.000 US-Dollar, die vor allem zur Deckung von Reisekosten und der Organisation von Workshops oder Symposien gedacht sind.  

Drei Forschungs-Teams der Universität Stuttgart erhalten in der laufenden Förderperiode Unterstützung durch das Programm:

Forschungsteams um Prof. Alan Hatton, MIT Low Carbon Energy Center on Carbon Capture, Utilization and Storage, sowie um Nelson Felipe Rincon Soto und Marc Oliver Schmid vom Institut für Feuerungs- und Kraftwerkstechnik (IFK).

Zwei Ziele erreicht: Biogasaufbereitung zu hochreinem Bio-Methan und Gewinnung von CO2

Marc Oliver Schmid, Leiter der Abteilung Brennstoffe und Rauchgasreinigung am Institut für Feuerungs- und Kraftwerkstechnik (IFK) beschäftigt sich mit der Aufbereitung von Biogas zu Bio-Methan. Nach dem Fermenter besteht Biogas zunächst etwa jeweils zur Hälfte aus CO2 und Methan. Um die Zusammensetzung und damit die Einsatzmöglichkeiten von Biogas zu verbessern, wird das CO2 in einem Adsorber abgetrennt. Damit erreichen die Forschenden gleich zwei Ziele: hochreines Bio-Methan und CO2. Bio-Methan kann als Erdgassubstitut in das Gasnetz eingespeist, als Kraftstoff oder Grundstoff für die chemische Industrie genutzt werden. Doch es gibt nur wenige Anbieter, die geeignete und energieeffizient regenerierbare Adsorptionsmittel herstellen. Marc Oliver Schmid hatte recherchiert, das am MIT genau darüber geforscht wird. Die Amerikaner entwickeln Adsorptionsmittel auf mineralischer Basis, welche selektiv CO2 chemisch binden können. „Am MIT kann man neuartige Sorbentien herstellen, die für das von uns entwickelte Verfahren zur Biogasaufbereitung sehr gut geeignet sind. Deshalb ist es ein hervorragendes Zusammentreffen, dass wir durch den MIT Seed Fund die Möglichkeit erhalten, uns mit den Kolleginnen und Kollegen am MIT auszutauschen“, erklärt Marc Oliver Schmid.

Pilotanlage im Schönbuch geplant

Am IFK gibt es einen Laboraufbau, um die Adsorptionsmittel zu testen. Im Frühjahr werden die Stuttgarter Wissenschaftler Schmid und Nelson Felipe Rincon Soto mit einigen Studierenden in die USA fliegen und dort Proben des Adsorptionsmittels mitnehmen, um sie in Stuttgart zu untersuchen. Die aus den Tests gewonnen Erkenntnisse schicken die Stuttgarter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dann wieder ans MIT. So können die dortigen Forschenden Sorptionsmittel nach den entsprechenden Anforderungen anfertigen und weiter verbessern. Das Team aus den USA wird auch zu einem Gegenbesuch nach Stuttgart kommen. „Darüber hinaus wollen wir in diesem Jahr eine Pilotanlage bei einer Biogasanlage im Schönbuch unter realen Bedingungen errichten“, berichtet Schmid, „auch hier können wir dann verschiedene Adsorptionsmittel vom MIT testen.“ Beide Teams werden davon profitieren, ist Schmid sich sicher: „Wir können viel voneinander lernen. Ich hoffe, durch das Projekt auch weitere gemeinsame Forschungen anstoßen zu können.“

Forscherteams um Prof. Robert Griffin, Francis Bitter Magnet Lab am MIT und um Prof. Jens Anders, Institut für Intelligente Sensorik und Theoretische Elektrotechnik (IIS) der Universität Stuttgart.

Neue Technik der Kernspinspektroskopie verbessert den Einblick in den Zellstoffwechsel

Mit Hilfe der Kernspinspektroskopie (NMR) lassen sich die Moleküle eines zu untersuchenden Stoffes (z. B. die Stoffwechselprodukte einzelner biologischer Zellen) hochgenau identifizieren. Das Verfahren verwendet hierfür ähnlich der bekannten Magnetresonanztomografie (MRT) in der Medizin den Kernspin verschiedener Atomkerne. Forschende können auf diese Weise die genaue chemische Zusammensetzung eines Materials untersuchen und so z. B. Rückschlüsse über dessen Qualität ziehen, erklärt Prof. Jens Anders, Leiter des Instituts für Intelligente Sensorik und Theoretische Elektrotechnik.

Messungen können bis zu eine Million mal schneller ablaufen

Doch mit der herkömmlichen Methode sind die Signale sehr schwach. Um sie zu verstärken, könnte das für die Messung verwendete Magnetfeld erhöht werden, doch diese Möglichkeit ist sehr kostenintensiv und stößt technisch an ihre Grenzen. Eine weitere Möglichkeit zur Verstärkung ist die dynamische Kernspinpolarisation (DNP). Hier verwendet man den Effekt, dass sich Elektronenspins aufgrund ihres sehr viel höheren magnetischen Moments viel besser in einem angelegten Magnetfeld ausrichten, also einen viel höheren Polarisationsgrad erreichen. Bringt man nun in einer zu untersuchenden Probe Elektronen- und Kernspins zusammen und legt ein sich zeitlich veränderndes Magnetfeld mit passender Frequenz an, so überträgt sich der Polarisierungsgrad der Elektronenspins auf die Kernspins. Eine praktische Schwierigkeit besteht darin, dass die hierfür benötigten Magnetfelder Frequenzen von mehreren 100 GHz erreichen können, welche konventionell oft nur mit großen, raumfüllenden und damit teuren Gyrotrons erzeugt werden können. Die Ausrichtung der Kernspins erhöht sich durch den DNP-Effekt um zwei bis drei Größenordnungen, so dass die Messungen bis zu eine Million mal schneller ablaufen! Dies eröffnet völlig neue Möglichkeiten für die NMR: Wenn zum Beispiel ein Pharmahersteller überprüfen möchte, wie sich der Zellstoffwechsel nach der Zugabe eines Wirkstoffes verändert, kann dies mit der neuen Methode schnell und kostengünstig untersucht werden. In einem überschaubaren Zeitraum können sehr viel mehr Wirkstoffe überprüft werden. Zudem erhöht sich das Verständnis darüber, wie der Zellstoffwechsel funktioniert und wie er sich z. B. verändert, wenn Viren die Zelle angreifen.

Die Stuttgarter Forschenden möchten die neue Technik mitsamt der Mikrowellenquellen auf einem einzigen Mikrochip unterbringen.
Einsatz in jeder Arztpraxis denkbar

Die Stuttgarter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen daran, die Technik der DNP mitsamt der benötigten Mikrowellenquellen auf einem einzigen Mikrochip unterzubringen. „Dieser ist kleiner, günstiger und besser, als bisherige Ansätze und bietet damit die Möglichkeit, die DNP-Methodik zukünftig in tragbaren NMR-Spektrometern z.B. im Bereich der personalisierten Medizin in jeder Arztpraxis einzusetzen“, so Prof. Jens Anders. Das Team vom MIT bringt das Wissen über den optimalen Polarisationsübertrag der Elektronenspins auf die Kernspins ins Projekt ein. Beide Teams wollen nun gemeinsam die neue Technik voranbringen, um so den Weg für einen flächendeckenden Einsatz der DNP zu ebnen.

Befruchtender Austausch

Zunächst ist vorgesehen, das Prof. Robert Griffin im Frühjahr für rund drei Wochen mit vier oder fünf Doktoranden nach Stuttgart kommt. „Ich kenne Griffin von gemeinsamen Teilnahmen an Konferenzen. Es ist großartig, dass wir jetzt den Kontakt zum MIT intensivieren und uns austauschen können, das ist sehr befruchtend. Auf diese Weise lernen wir die Philosophie und Herangehensweise des jeweils anderen Teams kennen“, beschreibt Jens Anders die Möglichkeiten, die der MIT Seed Fund bietet. 

Forschende des MIT um Assistant Prof. Stefanie Mueller (Computer Science and Artificial Intelligence Laboratory/HCI Engineering) und das Team um Prof. Achim Menges und Dylan Wood vom Institut für Computerbasiertes Entwerfen (ICD).

Smarter Smart Materials: Intelligente Materialsysteme reagieren auf Umwelteinflüsse und ermöglichen menschliche Interaktion

Gegenwärtig gibt es verschiedene formveränderliche Materialsysteme, die auf Umweltreize wie Temperatur oder Feuchtigkeit reagieren. Die Formänderung ist eine integrierte Funktion des Materials, sie benötigt keine elektronische Steuerung und kann deshalb kostengünstig eingesetzt werden. Sie steht jedoch in direktem Zusammenhang mit dem Umweltreiz, eine zusätzliche Steuerung durch menschliche Interaktion ist nicht möglich. Eine Gebäudehülle, die sich als Reaktion auf Wetteränderungen öffnet und schließt kann z. B. nicht von einem Nutzer geöffnet werden, der aus dem Fenster schauen möchte.

Nutzer kann Formveränderungen steuern

Die beiden Forscherteams wollen nun Methoden entwickeln, um neben der Steuerung durch Umweltreize, zusätzlich die Möglichkeit einer menschlichen Interaktion zu integrieren. Das heißt, der Nutzer kann mit dem Materialsystem interagieren und die Formveränderung steuern. Dabei wird ein Steuersystem hinzugefügt, das mit der additiven Herstellung von formverändernden Materialien kompatibel ist. Der Vorteil dieses Ansatzes besteht darin, dass er den hocheffizienten Bewegungen formveränderlichen Materialsystems neue Funktionen hinzufügt.

Geplant sind zwei Besuche der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie den beteiligten Studierenden vor Ort im Konstruktionslabor des ICD und im Labor am MIT. Am Abschluss des einjährigen Projekts soll ein Symposium stehen, erklärt Dylan Wood vom ICD.

 

Das Programm Global Seed Fund Programm wird von der MIT International Science and Technology Initiative (MISTI) verwaltet.

MIT INTERNATIONAL SCIENCE AND TECHNOLOGY INITIATIVE (MISTI)

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