Dem Ingeniör ist nichts zu schwör: Für technische Lösungen sind Ingenieurinnen und Ingenieure gut bekannt. Entsprechend groß ist der Erfindergeist unter den Ingenieur-Studierenden. Wer seine Innovationen auf den Markt bringen möchte und sich dort noch nicht auskennt, den unterstützt an der Universität Stuttgart dabei die Technologie-Transfer-Initiative (TTI) GmbH. Von der ersten Beratung, wohin es denn mit der Erfindung gehen kann, bis zur geeigneten Rechtsform ist alles im Programm. Seit dem Frühjahr ist außerdem ein Market-Getting-Team aktiv. Bei Bedarf helfen Ljubow Chaikevitch und Holger Braitmaier den Ingenieurinnen und Ingenieuren, Lösungen auf dem Feld der Marktwirtschaft zu finden.
Zwei Hüte für Startups
Startups haben die identischen Aufgaben wie etablierte Unternehmen. „Man muss sie nur auf die Schiene lupfen“, sagt Braitmaier. Um den Gründern klarzumachen, dass sie neben einem „Erfinderhut auch den Unternehmerhut“ aufsetzen müssen, hat das Team der TTI beschlossen, in die konkrete Unterstützung zu gehen. Ein wichtiger Faktor für Erfolg ist die Zeit.
Irgendwann müssen die Erfinder aufhören, an ihren Erfindungen weiter zu forschen und ihre Produkte auf den Markt bringen.
Holger Braitmaier über den Faktor Zeit bei Startups.
Aus Visitenkarten eine Sales-Pipeline schaffen
Für die IT-Messe CeBIT im März in Hannover hat das Startup Blickshift die Market-Getting-Unterstützung genutzt. Das Startup nutzt für einen gewissen Prozentsatz des Umsatzes die Dienste und den rechtlichen Rahmen der TTI GmbH und kann als eine Art Abteilung mit dem Namen Transfer-Gründungs-Unternehmung auftreten. Ihre Gründer Michael Raschke, Michael Wörner und Bernhard Schmitz sind promovierte Informatiker. Sie brennen für Ihre Idee von einem Eyetracking-System im Auto, das Fahrzeug- und Umgebungsdaten berücksichtigt und so die Verkehrssicherheit erhöhen soll. Obwohl sie kommunikationsfreudig sind und ihnen die Grundlagen des Marktes bekannt sind, empfanden sie den Service als attraktiv. In Chaikevitchs Worten: „Die Blickshift-Gründer sind eine Ausnahme, weil sie sich ganz gut verkaufen können.“
Trotz der guten Grundlagen konnte Chaikevitch bei Blickshift gleich loslegen: „Das fing an mit den ganzen Visitenkarten, die an die Wand gepinnt waren. Die haben wir zusammen erst einmal gesichtet, in Excel sortiert und die möglichen Kunden kontaktiert. So entstand dann die erste Sales-Pipeline.“ Das klingt sehr marktwirtschaftlich und bedeutet einfach, dass die Gründer und ihre Marktexpertin festgelegt haben, in welcher Reihenfolge an mögliche Kunden herangetreten werden soll.
Schneller Erfolg
Selbst wenn den Startups bewusst ist, dass sie ihre Produkte verkaufen müssen und sie dafür ins Gespräch mit den richtigen Kunden gehen müssen, sind ihnen die Hebel nicht unbedingt bekannt. Wie formuliere ich eine E-Mail an einen CEO? – Wer das noch nie gemacht hat, kann es auch nicht wissen. Ein bisschen Unterstützung brachte bei Blickshift schnellen Erfolg. Raschke äußert sich zufrieden: „Mit Ljubow Chaikevitchs Hilfe haben wir in kurzer Zeit mehrere Angebote an potenzielle Interessenten verschickt und erste Test-Lizenzen rausgegeben. Es sollte jetzt nicht mehr lange dauern bis der erste Auftrag eingeht.“
Dass Frau Chaikevitch uns „hands-on“ bei der Vorbereitung, Nachbereitung und Durchführung der CeBIT sowie der schriftlichen und telefonischen Akquise mit vollstem Einsatz unterstützt hat, war für uns in dieser Phase eine sehr große Hilfe und ein bedeutender „Schritt nach vorne“.
Dr. Michael Raschke, Mitgründer von Blickshift
Die Vorbereitung der fünftägigen Messe nahm etwa drei Tage in Anspruch, an denen das Market-Getting-Team eine Bedarfsanalyse durchführte, Termine für Kaufgespräche vereinbarte, die Gründer für Kongresse anmeldete oder ihnen den Blick für die Gesprächssituationen schärfte. In den Terminen war Chaikevitch mit dabei. Die ersten Verträge werden gerade verhandelt.
Für jeden guten Verkauf oder Messetermin gilt jedoch, betont Braitmaier: „Es geht darum, ein Produkt so emotional aufzuladen, dass das Gegenüber beim nächsten Treffen sagt, ‚das kaufe ich.’“
Das Market-Getting-Unit
Ljubow Chaikevitch ist seit März, Holger Braitmaier seit April mit einer halben Stelle bei der TTI GmbH tätig. Mit ihrer anderen Hälfte der Zeit sind sie seit neun bzw. sechs Jahren in der Selbstständigkeit. Chaikevitch hat International Management studiert, Braitmaier hat sich als Wirtschaftsingenieur „schon immer auf das Thema ‚Vermarktung von Produkten’ spezialisiert.“ Als Team vertreten sie bewusst eine weibliche und eine männliche Perspektive.
Die Technologie-Transfer-Initiative (TTI) GmbH an der Universität Stuttgart ist die zentrale Anlaufstelle der Universität für Studierende sowie Absolventinnen und Absolventen bei Gründungsfragen. Ihre neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beraten neben der Market-Getting-Unterstützung bei der Ideenfindung, zu Fördermöglichkeiten – etwa das deutsche Programm „Exist“ – und bei sonstigen Fragen. In Deutschland einzigartig ist die Möglichkeit für Jungunternehmen, unter dem Dach der TTI als Transfer-Gründungs-Unternehmung die Rechtssicherheit einer GmbH zu genießen, ohne dafür das Gründungskapital aufbringen zu müssen. Derzeit betreut die TTI über 50 Startups aus den Ingenieurwissenschaften, der IT-Branche und dem Dienstleistungsbereich.