Mit Turbulenzen auf Du und Du

Humboldt-Stipendiat Zhenlong Wu zu Gast

Dr. Zhenlong Wu von der Beihang Universität (BUAA) in Peking ist ein ruhiger Mensch, der gerne lacht. Turbulent hingegen ist sein Forschungsgebiet: Am Institut für Aerodynamik und Gasdynamik (IAG) untersucht der Humboldt-Stipendiat das aerodynamische und aeroelastische Verhalten eines Flugzeugtragflügels unter dem Einfluss böiger Zuströmung.

Der Humboldt-Stipendiat Dr. Zhenlong Wu aus China untersucht das aero­dynamische und aero­elastische Verhalten eines Flugzeugtragflügels unter dem Einfluss böiger Zuströmung.
Der Humboldt-Stipendiat Dr. Zhenlong Wu aus China untersucht das aero­dynamische und aero­elastische Ver­halten eines Flugzeugtragflügels unter dem Einfluss böiger Zu­strömung.

Stuttgart Universität seiner Wahl

Vor zwei Jahren promovierte Wu über den Einfluss von Regen auf die Strömung von Tragflügeln und erhielt im Anschluss eine Stelle als Dozent an seiner Universität in Peking. Sein dortiger Doktorvater, selbst einstiger Humboldt-Stipendiat, machte den 29-jährigen Absolventen am Nationalen Labor für Aeronautik und Astronautik auf das Stipendium aufmerksam und empfahl Wu, sich zu bewerben. Schließlich hatte er während seines Studiums in China schon etliche Auszeichnungen erhalten.

„Stuttgart gehört zu den neun besten Technischen Universitäten (TU9) in Deutschland“, sagt er als erstes auf die Frage, wie er auf Stuttgart als die Universität seiner Wahl kam. Bisher gab es noch keine fachliche Kooperation zwischen den beiden Universitäten. „Herr Wu kam auf uns zu, weil sein Fachgebiet sich mit unserem überschneidet und wir in seinem Bereich schon einiges veröffentlicht haben. Wir arbeiten hier im Bereich Turbulenzen in der Atmosphäre und deren Einfluss auf Tragflügel und Roboter“, erinnert sich Dr. Thorsten Lutz vom gastgebenden Institut am Pfaffenwaldring.

Aerodynamik und Aeroelastik

Lutz und sein Institutsleiter Prof. Ewald Krämer schauten sich Wus bisherige Veröffentlichungen an und das, was er in Stuttgart gerne machen würde. Schnell war daraufhin das Forschungsgebiet für 18 Monate umrissen. Inhalt sind hauptsächlich die Strömungsbedingungen eines Flügels und die schwankenden Kräfte, die auf ihn einwirken. Diese Kräfte sind wichtig für die Leistung eines Flügels und betreffen die Sicherheit der Insassen. Zusätzlich berechnet Wu, wie sich der Flügel aufgrund von turbulenten Strömungen verformt. Es geht also um Aerodynamik und Aeroelastik.

Nach einer detaillierten Literaturrecherche und einer Übersicht über sein Forschungsziel beginnt Wu jetzt mit Simulationen. Das geschieht nicht mehr in Einzelarbeit, sondern zusammen mit Kollegen am Institut. Wu ist in der Arbeitsgruppe Luftfahrzeugaerodynamik eingebunden, teilt sich ein Büro mit drei Kollegen und Doktoranden, die teilweise auf ähnlichem Gebiet forschen und die gleichen Berechnungsprogramme benutzen.

Passagierkomfort und Materialbewusstsein

Störungen in der Zuströmung verursachen beim Flugzeug ein Schütteln. Das ist nicht nur unangenehm für die Passagiere und beeinträchtigt deren Komfort, es führt zudem zu zeitlich variierenden Kräften, die auf die Struktur des Flugzeugs einwirken. Für Entwurf und Dimensionierung der Struktur neuer Flugzeuge ist es wichtig, diese Kräfte zu kennen und das daraus resultierende Verhalten des Flugzeuges. Ziel von Wus Untersuchungen ist es, die auftretenden aerodynamischen Mechanismen zu verstehen.

Wie geht Wu im Einzelnen vor? „Ich nehme Aluminium als Strukturmaterial und konzentriere mich bei meinen Untersuchungen auf die Interaktionen zwischen Aerodynamik und Aeroelastik.“ Zwar sei dies fast schon Gegenstand von Studien, seit die Menschen mit dem Fliegen begonnen hätten. Jetzt aber, erklärt Wu, gehe es in erster Linie darum, präzise die Effekte zu beschreiben, die Windböen haben, wenn elastische Materialien involviert sind. „Bisher hat man sich um die Elastizität der Strukturen bei diesen Berechnungen wenig gekümmert“, stellt der Wissenschaftler fest und ergänzt: „Die Thematik ist auch für mich neu.“

Steile Lernkurve

Er habe schon viel Neues gelernt, seit er in Stuttgart ist. „Ich hoffe, dass ich neue Erkenntnisse gewinnen werde und eine neue Methode entwickeln kann, um böige Zuströmung auf Flugzeuge zu evaluieren“, sagt Wu voller Forscherdrang. Außerdem will er während seiner Zeit am Institut in Stuttgart mindestens zwei wissenschaftliche Publikationen verfassen.

Nach Ablauf der 18 Monate wird er an die Beihang Universität zurückkehren, um seine Karriere in China weiterzuverfolgen. „Ich hoffe, dass ich durch meinen Aufenthalt hier an der Uni Stuttgart einen nachhaltigen wissenschaftlichen Austausch zwischen Stuttgart und meiner Universität ankurbeln kann“, lautet sein Plan, der auch zukünftige Kooperationen beinhalten soll.

Lob auf Stuttgarts Wetter

Und Stuttgart selbst? Mit seiner Frau und dem gemeinsamen einjährigen Sohn lebt Dr. Zhenlong Wu im Gästehaus am Pfaffenwaldring. „In zwei Monaten ziehen wir um ins Gästehaus der Universität mitten in der Stadt. Das ist natürlich sehr angenehm“, freut er sich. Wu und seine Frau sprechen hauptsächlich englisch. In Schwäbisch Hall traf er während des zweimonatigen Deutschunterrichts auf zwei Humboldt-Stipendiaten, die an der Universität Tübingen forschen. Seither sind sie in regem E-Mail-Kontakt und werden sich gegenseitig besuchen.

Die Deutschen findet Wu generell sehr freundlich und zuvorkommend. „Besonders mein Betreuer und die Kollegen unterstützen mich sehr. Außerdem ist das Wetter hier in Stuttgart sehr gut – im Vergleich zu Peking auf jeden Fall.“

Ewald Krämer

Prof.

Leiter des Instituts für Aerodynamik und Gasdynamik

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