Neue Kriege – historische Muster

Theodor-Heuss-Gedächtnis-Vorlesung

Immer im Dezember veranstalten die Universität Stuttgart und die Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus die Theodor-Heuss-Gedächtnis-Vorlesung. Die an den ersten Präsidenten der Bundesrepublik erinnernde Vorlesung erfreut sich stets vieler Zuhörer und wartet immer mit herausragenden Referenten auf. So sprachen hier schon Richard von Weizsäcker, Joachim Gauck oder Timothy Garton Ash. Am Dienstag, 12. Dezember, referierte im Tiefenhörsaal Dr. Herfried Münkler, Professor für Theorie der Politik an der Humboldt-Universität zu Berlin, über „Die neuen Kriege – Zur Wiederkehr eines historischen Musters“.

Gut besucht war die Veranstaltung am 12. Dezember.
Gut besucht war die Veranstaltung am 12. Dezember.

„Wir sind stolz darauf, die Veranstaltung an der Universität Stuttgart durchzuführen“, betonte deren Rektor Prof. Wolfram Ressel in seiner Begrüßung. Trotz ihrer technischen Ausrichtung verfüge die Universität Stuttgart über einen großen geisteswissenschaftlichen Bereich und sehe ihre Aufgabe auch darin, über ihre Grenzen hinaus zu wirken. Zudem: Theodor Heuss, dessen Vorträge die Öffentlichkeit erreicht und zugleich den wissenschaftlichen Fachansprüchen Rechnung getragen haben, hatte in den Nachkriegsjahren an der damaligen Technischen Hochschule Stuttgart gelehrt.

Theorie und Geschichte des Krieges
Herfried Münkler, dessen Forschungsschwerpunkte die politische Theorie und Ideengeschichte, die politische Kulturforschung, die Theorie und Geschichte des Krieges sowie die Analyse von Risiko und Sicherheit sind, zählt zu den führenden Wissenschaftlern seines Fachs in Deutschland. Sein neuestes Buch trägt den Titel „Der Dreißigjährige Krieg: Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618 – 1648“.

Ausdehnung der Kriege in Raum und Zeit

Die neuen Kriege, so Münkler, seien billig geworden: „Wenige 100.000 Dollar genügen, um eine Streitmacht zusammenzustellen“, sagte er und verwies auf Kalaschnikows, die nicht so schnell kaputt gehen, und Kindersoldaten. Zudem zeichne die neuen Kriege eine Asymmetrie aus. Statt der einstigen schnellen Entscheidungsschlachten komme es zu einer Ausdehnung der Kriege in Raum und Zeit, da die Akteure kein Interesse an deren Beendigung haben – sie leben ja davon, und so steht ihr Sinn nach einer Perpetuierung.

Der 30-jährige Krieg war teils Glaubenskrieg zwischen Katholiken und Protestanten, teils Krieg im Reich zwischen Kaiser und Landesfürsten um die Vorherrschaft im Heiligen Römischen Reich und zugleich der Kampf des Reichs gegen die Länder außerhalb, gegen Frankreich, Dänemark, Schweden. Er war brutal, lang andauernd, ging mit Hungersnöten und Seuchen einher und führte zu Flüchtlingsströmen.

„Neuer Westfälischer Frieden“

Als große Leistungen des Westfälischen Friedens, der dem 30-jährigen Krieg ein Ende setzte, benannte Münkler die Entwicklung hin zu Soldaten, die in der Kaserne bleiben konnten – sie wurden nicht nur im Krieg bezahlt. Damit einher ging die Umstellung von der Religions- auf die Staatsräson sowie die binäre Ordnung – entweder Krieg oder Frieden, die Grenze dazwischen ist geregelt –, und nur noch der Souverän hat das Recht Krieg zu führen. Noch als Außenminister hatte Frank-Walter Steinmeier einen „neuen Westfälischen Frieden für den Nahen Osten“ gefordert – das wäre allerdings kein Frieden in dem Sinne, dass kein Krieg mehr ist, erklärte der Politikwissenschaftler, sondern Krieg und Nicht-Krieg wären präzise unterscheidbar.

Parallelen zwischen Kriegen der Gegenwart und dem 30-jährigen Krieg

Die Kriege der Gegenwart lassen eine Reihe auffälliger Gemeinsamkeiten mit dem Gewaltgeschehen des 30-jährigen Krieges erkennen, erklärte Münkler.  Angesichts ihrer Dauer, der aufgehobenen Grenzziehungen, dem nicht mehr vorhandenen Unterschied zwischen Krieg und Frieden, der diffusen Gewalt gegen die Zivilbevölkerung und einem neben dem Staatenkrieg zugleich vorliegenden inneren Krieg haben die Kriege im Nahen Osten „das Zeug zu einem Typ des 30-jährigen Krieges“, befand der Wissenschaftler.

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