Der Bürgerdialog stand im Zentrum des Projektseminars „Künstliche Intelligenz und Wir – Aufgaben der Wissenschaftskommunikation“. Studierende der Universität Stuttgart und der Hochschule der Medien beschäftigen sich hier damit, wie das Thema KI der Gesellschaft vermittelt werden kann und welche Formate sich für die öffentliche Auseinandersetzung damit eignen.
Beim Bürgerdialog des Internationalen Zentrums für Kultur- und Technikforschung der Universität Stuttgart (IZKT) standen die Themen „Digitale Überwachung“ und „Arbeit in der digitalisierten Welt“. Die Zukunftsreporter Alexander Mäder und Rainer Kurlemann (www.riffreporter.de/zukunftsreporter/) führten durch das von Debatten im britischen Unterhaus inspirierte Diskussionsformat.
Ja- oder Nein-Seite
Ob Frau oder Mann, jünger oder älter, der Blick der Gäste wirkte etwas irritiert beim Betreten des Saals angesichts der sich gegenüberstehend angeordneten Stuhlreihen. War hier schon Künstliche Intelligenz am Werk? Die Moderatoren ließen die dialogfreudigen Besucher nicht lange rätseln. Es werde für das Publikum nicht nur interessant, sondern auch bewegt werden, erklärten sie. Bei den zur Diskussion stehenden Fragen galt es nämlich nicht nur mitzureden, sondern sich auch jeweils, passend zur eigenen Meinung, auf die Ja- oder Nein-Seite zu setzen.
Was ist Künstliche Intelligenz?
Zu Beginn der ersten Runde, die sich der „Digitalen Überwachung“ widmete, zeigte sich: Die Vorstellungen im Publikum von der Künstlichen Intelligenz (KI) gehen weit auseinander. Während für die einen schon ein Routenplaner zur Künstlichen Intelligenz zählt, weil er „Dinge schneller verknüpft, als es der Mensch je könnte“, erwarten andere gar ein „Gegenüber, das Verantwortung übernimmt.“
Daten sammeln zum Wohle der Gesellschaft?
Routenplaner sammeln Daten, doch nicht nur sie – überall werden inzwischen Daten erfasst. „Wir können gar nicht überblicken, was mit unseren Daten passiert“, waren sich die Diskutierenden einig. Ob dennoch weiter gesammelt werden dürfe oder eher nicht mehr, oder wenn, dann anonymisiert, gab viel Diskussionsstoff. Auch angesichts der Überlegung, dass die Daten ja auch zum Wohle der Gesellschaft genutzt werden können, so etwa im Bereich der Medizin für Diagnosen. Ein „vertrauenswürdiges Gegenüber“ würde die Sache einfacher machen. Dass „Alexa“ dazu nicht zählt und es fatal wäre, sie als Freundin der Familie zu sehen, darin waren sich fast alle einig. Einen persönlichen Assistenten, der die Nachrichtenauswahl übernimmt, fanden viele dagegen durchaus hilfreich, um sich in der Informationsflut zurechtzufinden, während andere eher die Gefahr sahen, dass viele Informationen verloren gehen und man „geistig eingeschränkt“ würde.
Interaktives Veranstaltungsformat begeisterte das Publikum
Mit jedem Statement wurde klar, ein eindeutiges Ja oder Nein auf die Fragen zu geben, ist alles andere als einfach. Im Verlauf der Diskussion gab es daher auch die Aussage: „Ich glaube, ich sollte mich umsetzen“. Ein „Jein-Platz“ fehlte besonders bei der Frage danach, ob ein Algorithmus-TÜV gebraucht werde. Spontan sagten die meisten „ja“. Doch dann folgten Fragen über Fragen: Wer soll den TÜV schließlich abnehmen? Welche Kriterien werden an ihn angelegt? In der Pause wurde fleißig weiter diskutiert, so hatte Dr. Elke Uhl, die Geschäftsführerin des IZKT, schon zur Halbzeit Grund zur Freude: „Bei einem so komplexen und mitunter heftige Kontroversen hervorrufenden Thema wie der Künstlichen Intelligenz auf ein ungewöhnlich interaktives Format zu setzen – das war ein Wagnis, ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Die begeisterten Stimmen aus dem zahlreich versammelten Publikum zeigen: Experiment geglückt!“
Arbeit in der digitalisierten Welt
In der Arbeitswelt werden Roboter und intelligente Systeme in Zukunft immer mehr Aufgaben übernehmen, befand das Publikum im zweiten Teil des Abends, der sich mit der „Arbeit in der digitalisierten Welt“ beschäftigte. Dass dies auch Arbeitsplätze gefährden könnte, die ein hohes Bildungsniveau voraussetzen, wie etwa jene von Juristen oder Medizinern, überraschte teils, führte jedoch nicht so weit, dass die Mehrheit Angst davor hatte, ihren Arbeitsplatz kurz- oder mittelfristig an eine Maschine zu verlieren. Leidenschaftlich wurde die Frage diskutiert, ob eine erfolgreiche KI Beschäftigten am Arbeitsplatz Weisungen erteilen dürfe. Die letzte Entscheidungsgewalt, so die Mehrheit des Publikums, sollte der Mensch haben. Und wie sieht es in der Altenpflege aus? Um das seelische Wohl der Pflegebedürftigen könnten sich Roboter nicht kümmern, aber sie könnten den Pflegerinnen und Pflegern physische Arbeit abnehmen, die dann mehr Zeit für die Patienten hätten. Überraschend das Ende: Auf die Frage, ob die Künstliche Intelligenz in zehn Jahren so selbstverständlich sei wie die Roboter heute schon in Fabriken, blieb die „Nein“-Seite fast leer.
Stimmen zum Bürgerdialog
„Die interessanteste und am intelligentesten gemachte Veranstaltung zu KI, die ich bisher besucht habe. ... Was mir besonders auffiel, war die reflektierte und nachdenkliche Weise der Einschätzungen der Diskutanten.“
Universitätsangehöriger, 45 Jahre
„Die Veranstaltung war interessant und brachte auch Erkenntnisse.“
Rentnerin, 70 Jahre
„Eine wirklich tolle und inspirierende Veranstaltung! Dieses Debattenformat war kurzweilig und lebendig, die Diskussionsbeiträge interessant und anregend. Mehr davon, ich würde wieder kommen!“
IT-Berater und Softwareentwickler, 36 Jahre
„Eine sehr dynamische Form der Veranstaltung, die ich bis jetzt noch nicht kannte – und die ich mir auch für die Zukunft mehr vorstellen kann und sehr wünsche! Highlight des Abends: Im Laufe der Gespräche änderten wirklich einige ihre Meinung und setzten sich auf die andere Seite!“
Studentin der Politik- und Sozialwissenschaften, 29 Jahre