Prof. Jens Anders leitet seit Oktober das Institut für Theorie der Elektrotechnik. Der Name des Instituts schrecke leider manche Studierende ab, weil er relativ wenig Aussagekraft habe, wenn man nicht bereits wisse, was sich dahinter verbirgt. Die Studierenden fragen sich bisweilen: Theoretische Elektrotechnik – was mache ich am Ende damit? Deshalb wird er sein Institut umbenennen – in Institut für intelligente Sensorik und theoretische Elektrotechnik.
Schwerpunkt intelligente Sensorik
Nach dem Studium in Hannover, erwarb Anders in den USA (University of Michigan, Ann Arbor) mit dem Master in Mikroelektronik mit der integrierten Schaltungstechnik ein wichtiges Standbein seiner heutigen Arbeit. Über die Promotion an der EPFL (Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne) in Lausanne schließlich kam dann noch das Faible für die Sensorik allgemein und die Quantensensorik im Besonderen hinzu. In Stuttgart ist die Sensorik für die Quantenwissenschaften ein großer Schwerpunkt. „Das war einer der Hauptgründe, weshalb ich nach Stuttgart wollte“, sagt Anders, der zugunsten der Professur in Stuttgart einen Ruf an die TU Hamburg-Harbug abgelehnt hat.
In Zukunft sollen die Sensoren intelligenter werden, indem sie die gemessenen Signale adaptiv vorverarbeiten. „Sie spucken dann nicht mehr die Rohdaten aus, sondern Daten, die bereits so aufbereitet sind, dass man sie einfach weiterverarbeiten kann.“ Auch Kommunikation von Sensoren untereinander komme nun verstärkt hinzu. Doch der Schwerpunkt Sensorik ist nicht nur der Forschung vorbehalten, er soll sich auch in neuen Studienschwerpunkten im Elektrotechnik Bachelor und Masterstudium in Stuttgart widerspiegeln. „Durch den neuen Schwerpunkt sehen die Studierenden direkt, in welche Richtung sie sich mit den zugehörigen Fächern entwickeln können“, erklärt Anders.
Ein Fach mit Tradition
Der verbleibende Namensteil „theoretische Elektrotechnik“ signalisiere, dass in Stuttgart Grundlagenlehre auch weiterhin einen zentralen Platz einnehmen wird. „Es ist ein Fach mit Tradition, das es seit den Anfängen der Elektrotechnik gibt. Mein Lehrstuhl geht auf den ersten im Jahr 1883 berufenen Lehrstuhl der Elektrotechnik an der Universität Stuttgart zurück. Das ist ein Erbe, das verpflichtet.“ Dem 36-jährigen Institutsleiter ist die Grundlagenlehre daher eine Herzensangelegenheit, da „jedes Haus auf einem stabilen Grund gebaut werden muss“.
Zwischen Methodik und Fakten
Nur durch einen starken theoretischen Hintergrund werden die künftigen Ingenieurinnen und Ingenieure über ihre gesamte 30 bis 40-jährige Karriere in der Lage sein, technologisch gesehen am Puls der Zeit zu bleiben, ist der Professor überzeugt. „Es geht nicht nur darum, bestehende Methodiken kontinuierlich ein Stückchen weiterzubringen. Ziel muss es auch in den Ingenieurwissenshaften sein, Grundlagenforschung zu betreiben, um in der Lage zu bleiben, revolutionäre, disruptive Technologien hervorzubringen. Wenn wir immer nur „Epsilontik“ betreiben, also den Status quo um minimale Stücke verändern, bringt uns das nicht wirklich weiter“, so Anders. Ab und zu, so Anders Erwartungshaltung, solle in der Forschung, also auch an seinem Institut, ein technologischer Quantensprung gelingen. Für die erhoffte Revolution statt braver Epsilontik setzt er auf intelligente Sensorik (smart sensors) als Forschungsschwerpunkt im Pfaffenwaldring. Sie bildet das Dach seines Instituts, das von den Säulen Theorie, Simulation und Hardware getragen wird.
Ingenieure für die zweite Quantenrevolution
Der Bogen von der Lehre als Grundlagenfach über ingenieurswissenschaftliche Spitzenforschung mit Anwendungen bis hin zur Quantentechnologie ist dem praxisbezogenen Forscher und Wissenschaftler extrem wichtig. „Wir wollen die gerade anlaufende zweite Quantenrevolution nutzen, um Forscherinnen und Forscher aus den Bereichen Physik und Ingenieurwissenschaften endlich zusammenzuführen. So können wir in fünf bis zehn Jahren gemeinsam die neue Berufsgruppe der Quanteningenieure ausbilden, die den großen Herausforderungen dieser Technologie sowohl theoretisch als auch in der praktischen Umsetzung gewachsen sind“, lautet sein Plan.
„Stuttgart ist derzeit ein pulsierendes Zentrum der Quantenwissenschaft“
Kaum ist er da, wirkt Anders an vielen Kooperationen und Anträgen auf Forschungsgelder mit. Nicht zuletzt am quantenwissenschaftlich ausgerichteten Exzellenzantrag „TQuant“ der Uni Stuttgart, bei dem er maßgeblich für die Integration der ingenieurswissenschaftlichen Fragestellungen zuständig ist.
„Ich bin von Stuttgart begeistert“, sagt der Hannoveraner. „Was Forschung und die sie umgebende Industrie betrifft, bietet Stuttgart das ideale Umfeld für meine Arbeiten. Hier kann man mit einigen der weltweit führenden Forscherinnen und Forscher im Bereich der Quantentechnologie zusammenarbeiten.“
Jens Anders
Prof. Dr.Leiter des Instituts für Theorie der Elektrotechnik