Die Studie nahm die Klimaschutzaktivitäten deutscher Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern
unter die Lupe. Ein erstes Ergebnis: Tatsächlich sind die untersuchten Städte fleißig dabei, ihre
Treibhausgasemissionen zu messen. 75 Prozent der untersuchten Städte haben bereits sogenannte
Emissionsinventare erstellt, die übrigen arbeiten daran. Bei der Methodik zur Erstellung der
Emissionsinventare grassiert allerdings der Wildwuchs. Beispiel Verkehr: Mal werden die Emissionen
eingerechnet, die der Verkehr im Stadtgebiet erzeugt, mal die Emissionen, die die Bürger der Stadt
mit ihren Fahrzeugen (auch außerhalb des Stadtgebiets) verursachen. Andere Städte wiederum lassen
Emissionen aus dem Verkehrssektor ganz aus ihrem Treibhausgasinventar heraus. „Die Emissionsdaten
verschiedener Städte sind also kaum vergleichbar“, so Maike Sippel.
Auch hat sich ein großer Teil der untersuchten Städte - meist sehr ehrgeizige –
Ziele zur Reduktion der Treibhausgasemissionen gesetzt. Welche Rolle dabei die Analyse der
jeweiligen lokalen Emissionen gespielt hat, und ob ein stadtspezifischer Reduktionspfad entworfen
wurde, bleibt allerdings häufig offen. Oft wurden die Ziele direkt aus den übergreifenden Vorgaben
des Städtenetzwerks „Klima Bündnis“ übernommen oder sie sind an deutsche oder europäische
Klimaschutzziele angelehnt. „Fast die Hälfte der Städteziele dürfen wohl eher als symbolisch
betrachtet werden, da keine Emissionsdaten aus dem Basisjahr der Zielsetzung veröffentlicht werden“
, sagt Sippel. Ohne solche Ausgangsdaten kann jedoch gar nicht beurteilt werden, ob eine Senkung
der Emissionen um einen bestimmten Prozentwert erreicht wurde.
Betrachtet man die tatsächliche Entwicklung der Emissionen in den einzelnen
Städten, ergibt sich ein gemischtes Bild. Bei Städten in den neuen Bundesländern weisen die
Emissionspfade deutlich nach unten – mit einem durchschnittlichen Rückgang von jährlich drei
Prozent gegenüber dem Ausgangsjahr. In den alten Bundesländern sind es nur -0,65 Prozent. Die
vermutlich einfache Erklärung: Die ostdeutschen Regionen „profitieren“ vom Strukturwandel nach dem
Mauerfall, in dessen Folge zahlreiche Industrieanlagen stillgelegt und damit Emissionen reduziert
wurden.
Um die schlimmsten Klimaschäden zu vermeiden sind nach Ansätzen der
internationalen Wissenschaftlergemeinschaft des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change)
bis 2050 Emissionsreduktionen in Höhe von -1,33 bis -1,58 Prozent pro Jahr erforderlich. Setzen die
Städte ihren bisherigen Emissionspfad fort, so werden rechnerisch nur sieben Städte ihre
Emissionsziele für die Jahre 2020, 2030 oder 2050 auch erreichen – und alle liegen in
Ostdeutschland. Der Westen dagegen ist nicht auf Kurs: Dort würden die meisten Städte ihre Ziele
zwar auch erreichen – allerdings zum Teil über 100 Jahre später, als geplant...
Damit es schneller und systematischer geht, so das Fazit der Studie, wäre eine
einheitliche Methodik zur Emissionserfassung auf der Ebene der Städte außerordentlich hilfreich.
Städtenetzwerke und die Bundespolitik könnten dabei eine wichtige Rolle spielen: Sie könnten einen
einheitlichen Standard für die Emissionsinventare der Städte festlegen und die Emissionserfassung –
zum Beispiel erstmal für alle Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern – verpflichtend machen. In
einer bundesweiten Datenbank könnten die Emissionsdaten der Städte dann miteinander verglichen
werden.
Damit Reduktionsziele als Teil eines Qualitätsmanagements der städtischen
Klimaschutzpolitik verwendet werden können, müssen diese Ziele realistisch sein und mit
stadtspezifischen Reduktionspfaden hinterlegt sein. Da der mögliche Beitrag einer Stadt zum
Klimaschutz stark von externen Faktoren (wie der nationalen Energie- und Klimaschutzpolitik)
abhängt, empfiehlt die Wissenschaftlerin eine Doppelstrategie: Die Stadt setzt sich ein
realistisches Ziel A, das sie aus eigenem Antrieb erreichen kann. Gleichzeitig formuliert sie ein
sehr ambitioniertes Ziel B, für dessen Erreichung auch bestimmte nationale und internationale
Rahmenbedingungen Voraussetzung sind. Diese sollte die Stadt dann als Teil ihrer Klimaschutzpolitik
auch einfordern.
Weitere Informationen bei Dr. Maike Sippel, Institut für Energiewirtschaft und
Rationelle Energieanwendung, e-mail: maike.sippel@gmx.de