Kernstück dieses Labors ist eine vom Aufbau her europaweit einmalige Rückprojektionswand, also
eine etwa sechs Meter breite und 2,2 Meter hohe Scheibe, auf die von der Rückseite Bilder – auch in
3D Stereo – projiziert werden. Bisher sind solche „PowerWalls“ meist aus wenigen
Standard-Projektoren aufgebaut und haben typischerweise zwischen zwei und zehn Millionen Bildpunkte
(Pixel). Damit ist ein einziger dieser Pixel auf einer solchen Scheibe ungefähr zehn Mal so groß
wie ein Pixel auf einem herkömmlichen Monitor. Diese relativ grobe Auflösung schränkt die
Anwendungsmöglichkeiten stark ein und schöpft auch die menschliche visuelle Wahrnehmung bei weitem
nicht aus.
Insbesondere bei kollaborativen Anwendungen, bei denen mehrere Nutzer im Abstand
von einer Armlänge zur Projektionswand stehen und gemeinsam große Informationsmengen inklusive Text
betrachten und interaktiv analysieren, ist deshalb die Auflösung eines traditionellen
Arbeitsplatz-Displays über die gesamte Fläche der „PowerWall“ wünschenswert. Dies zu erreichen ist
das Ziel eines neuen VISUS-Forschungsvorhabens. Allerdings ist der Aufbau einer solchen
3D-Display-Wand mit 100 Millionen Pixeln sowohl hinsichtlich der Hardware, als auch bezüglich der
Software eine große Herausforderung. Mit modernen Projektoren in HD-Auflösung (2 Megapixel)
bräuchte man davon rund 50 Stück, die paarweise in einer gekachelten Anordnung montiert würden.
Jedoch müssten diese Projektoren mit hohem Aufwand kalibriert werden, damit die Bilder an den
vielen Stoßkanten pixelgenau aneinandergrenzen.
VISUS geht einen anderen Weg und minimiert die Anzahl der Überblendungsbereiche
durch Verwendung der zurzeit höchstauflösenden Projektoren. Diese sogenannten 4K-Projektoren, wie
sie auch im Kino eingesetzt werden, haben jeweils eine Auflösung von knapp zehn Megapixeln. Die
Stuttgarter Installation verwendet zehn dieser Projektoren, die paarweise (je für das linke und das
rechte Auge) in fünf Streifen hochkant nebeneinander angeordnet sind. Effektiv werden damit 45
Megapixel pro Auge dargestellt.
Die nächste Herausforderung ist die Erzeugung von Bildern für solch eine
hochauflösende Wand. Jeder Projektor muss mit vier Videoausgängen versorgt werden, weshalb ein
Display-Cluster mit zehn Knoten mit je zwei Graphikkarten erforderlich ist, um überhaupt ein Bild
entsprechend zusammengesetzt darstellen zu können. Da interaktive Computergraphiken und
Visualisierungen in dieser hohen Auflösung 30 Mal und mehr pro Sekunde berechnet werden müssen,
werden weitere 64 Rechner benötigt, welche die erzeugten Bildteile über ein schnelles Netzwerk zu
den Display-Knoten schicken. Zudem kann Software, die für die Visualisierung auf einem solchen
System erforderlich ist, nicht einfach gekauft werden. Im Kern des von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft bewilligten Großgeräteantrags, durch den die Beschaffung dieser 1,6
Millionen Euro teuren Installation erst möglich wurde, steht daher die Entwicklung neuer
Algorithmen, Software-Schichten und Visualisierungsanwendungen.
Bis diese in Verbundprojekten wie dem Sonderforschungsbereich 716 und dem
Exzellenzcluster SimTech produktiv eingesetzt werden können, sind noch viele Grundlagenfragen zu
klären und Entwicklungsaufwand zu leisten. Trotzdem möchten die VISUS-Forscher Teilergebnisse schon
im kommenden Jahr der Öffentlichkeit präsentieren, auch um weiteren Forschungspartnern die
Möglichkeiten der interaktiven visuellen Exploration großer Datenmengen zu demonstrieren. Bis die
virtuellen Welten allerdings in Gigapixel-Auflösung an der heimischen Wohnzimmerwand (mit
OLED-Tapete) durchwandert werden können, wird es sicher noch etwas dauern.
Kontakt: Prof. Thomas Ertl, VISUS, Allmandring 19, 70565 Stuttgart, Tel.
0711/685-88600, e-mail: Thomas.Ertl@visus.uni-stuttgart.de