Pavillonbauten für die BUGA

Futuristisches Sommermärchen für experimentelles Bauen auf der Bundengartenschau in Heilbronn.

„Wir freuen uns sehr über die Zusammenarbeit mit der Universität Stuttgart, die in Heilbronn architektonische Spitzenforschung präsentieren wird“, erklärt der Geschäftsführer der Bundesgartenschau Heilbronn (BUGA), Hanspeter Faas, mit Blick auf die beiden experimentellen Pavillons, die derzeit mitten auf der Sommerinsel in Heilbronn entstehen. Die Pavillons, einer aus Holz, der andere aus Faserverbundstoffen, werden im Institut für computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (ICD) unter Leitung von Prof. Achim Menges und dem Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (ITKE) unter Leitung von Prof. Jan Knippers entworfen und entwickelt.

Auf der Sommerinsel (links im Bild) entstehen die beiden innovativen Pavillons.
Auf der Sommerinsel (links im Bild) entstehen die beiden innovativen Pavillons.

Effizientes und individuelles Bauen mit neuen Materialien

Auf der Suche nach neuartigen Bauweisen und zukunftsfähigen Materialien für das urbane Bauen von morgen kamen die BUGA-Veranstalter mit den Architekten der Universität Stuttgart ins Gespräch. Die Erkenntnis, dass „eine Gartenschau nicht nur mit Tulpen zu tun hat, sondern auch mit Innovationen“, so Faas, brachten das Land Baden-Württemberg dazu, eine Fördersumme von 2,5 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, damit die BUGA gemeinsam mit der Universität den Bau der beiden Pavillons realisieren und zu einem zentralen Baustein der Gartenschau werden lassen kann. 

Besonders spannend, weil in der Architektur noch neu, sind die Faserverbundstoffe. Mit diesen Werkstoffen arbeiten die Teams von Menges und Knippers im Forschungslabor in Stuttgart-Wangen mit robotischen Fertigungsverfahren. „Die neuen Materialien sind nicht nur leicht, sie fordern uns auch auf, das Bauen anders zu denken“, sagen sie und sind voll des Lobes über die Eigenschaften der Faserverbundstoffe.

Visualisierung und Fertigungsprozess des Faserpavillons.
Visualisierung und Fertigungsprozess des Faserpavillons.

Neue Ästhetik

Das Probestück, das im Forschungslabor extreme Belastungstests durchlief, ist leicht und filigran. Es sei einer der wenigen Momente, wo tatsächlich eine neuartige Konstruktionsweise in das Bauwesen Einzug hält, so Menges. Dies führe nicht nur zu neuen technischen Möglichkeiten, sondern auch zu einer anderen Ästhetik, zu einer anderen Ausdrucksweise. Wenige Stunden benötigt ein Roboter, bis ein Bauteil fertig ist, das dann etwa 7,5 Kilogramm pro Quadratmeter auf die Waage bringt. Ein Fliegengewicht im Vergleich zu anderen Konstruktionen.

„Im Hochtechnologieland Baden-Württemberg setzen wir uns stark für neue Werkstoffe ein, etwa im Automobilbau. Aber im Bauwesen sind sie so gut wie noch nicht angekommen,“ berichtet Knippers. Das liegt seiner Überzeugung nach vor allem daran, dass es bisher kein Verfahren gab für baugerechte Fertigungen in großen Formaten.

Langjährige Erfahrung an den Instituten

Seit dem Jahr 2012 beschäftigen sich die beiden Institute mit der neuen Bauweise. Erstes Schaustück war ein Pavillon auf dem Campus in der Stadtmitte, der einen Durchmesser von fast acht Metern hatte. Im Jahr 2016 dann konnten die Institute ein Projekt für das renommierte Victoria & Albert Museum in London realisieren – mit einem mehr als 200 Quadratmeter großen Dach, das aufgrund der Leichtbaukonstruktion wenig mehr als zwei Tonnen wog.„Das Potenzial dieser Bauweise sehen wir langfristig darin: Man muss nicht mehr mit Lastwagen und großen Bauteilen in die Stadt fahren, sondern ist ganz kompakt mit Faserspulen und Harzkanistern vor Ort und kann dort ohne Lärm und Dreck große leistungsfähige Bauteile produzieren und errichten“, zeigt sich Knippers überzeugt.

Vorantreiben der industriellen Fertigung

Die robotischen Fertigungsverfahren wurden von den Instituten entwickelt, ebenso die dazugehörige Bauweise. Die Herstellung der Bauteile für den BUGA Faserpavillon geschieht in enger Kooperation mit der Fibr GmbH in Stuttgart. Moritz Dörstelmann, vor wenigen Jahren selbst wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut von Prof. Menges und nun Managing Partner des Start-up Fibr, schwärmt von den Möglichkeiten, die die Digitalisierung beim Entwerfen und Konstruieren mit Faserverbundmaterialien eröffnet: „Wir können jedes Bauteil individuell ausgestalten.“ Auch wenn es eine sehr innovative Technik sei, die noch viel intensiver Entwicklung bedürfe, so gebe es viele Anwendungen, die von der Bauindustrie bereits nachgefragt werden. „Die Strukturen sind filigran und gleichzeitig sehr robust und auch korrosionsbeständig. Die Arbeitsweise ist ressourceneffizient, weil kein Abfall anfällt. Es sind leichte, modulare Systeme, sehr gut geeignet für Auf- und Abbau und für den Transport“, fasst der Jungunternehmer die Vorteile zusammen.

Für Forschung und Anwendung ist die BUGA ein wichtiger Meilenstein. Beide Bereiche können so die innovative Leichtbautechnologie aus dem universitären Kontext in die wirtschaftliche Anwendung im Bauwesen transferieren. Für die industrielle Anwendung sehr wichtig ist es, den gleichen Prozess für eine breite Materialpalette und für viele Ausdrucksformen einsetzen zu können.

Visualisierung und Fertigung des Holzpavillons.
Visualisierung und Fertigung des Holzpavillons.

Materialeffizienter Holzpavillon

Als Gegenstück zu dem Faserpavillon entsteht für die Gartenschau ebenfalls ein von denselben Instituten der Universität entwickelter Holzpavillon. Dieser zeigt, wie auch mit traditionelleren Materialien durch digitale Planung und robotische Fertigung neuartige Bauweisen und effiziente Konstruktionen entstehen können. Die mehr als 400 unterschiedlichen Segmente des Holzpavillons werden erstmals als besonders materialeffiziente, hohle Kassetten ausgeführt, die in einem robotischen Vorfertigungsprozess zunächst vollautomatisiert aus Platten und Balken gefügt und dann mit höchster Präzision bearbeitet werden.

Einen Einblick in die vielfältige Leichtigkeit des Bauens können sich die Besucher der BUGA Heilbronn 2019 vom 17. April bis 6. Oktober inmitten von Blumen, Natur, Kultur und urbanem Wohnen verschaffen.

Zum Seitenanfang