Ausgleich für Nachteile, die durch Behinderungen entstehen

Aufgaben der Beauftragten für Studierende mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen

Sigrid Eicken ist seit gut eineinhalb Jahren die Beauftragte für Studierende mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen an der Universität Stuttgart. Ihre Aufgaben teilen sich in die folgenden vier Bereiche auf:

  • Information und Beratung von behinderten und chronisch kranken Studierenden und Studienbewerbern.
  • Information und Beratung für/sowie Zusammenarbeit mit Lehrenden, Beschäftigten der Verwaltung und den Studierendenwerks
  • Barrierefreies Bauen
  • Unterstützung der Universität bei der Umsetzung gesetzlicher Vorhaben und Mitwirkung an Maßnahmen zur gleichberechtigten Teilhabe.

Wir haben Sigrid Eicken gefragt, worauf es für die Betroffenen ankommt, was hilft und wichtig ist.

Einige Betroffene kommen schon vor Beginn ihres Studiums, um frühzeitig die Studienbedingungen abzuklären und auf diese Weise zu erkennen, wo es Probleme geben könnte und welche Lösungen es gibt. Ansonsten kommen die Studierenden zu mir, wenn während des Studiums Probleme auftauchen. Oft findet ein erstes Gespräch mit mir oder gleich gemeinsam zum Beispiel beim Fachstudienberater statt. Oder ein Betroffener wendet sich zuerst an die Zentrale Studienberatung (ZSB) und  diese nimmt dann mit mir Kontakt auf.

Ich schaue dann, was ich für die Betroffenen tun kann. Ich halte zum Beispiel Fürsprache beim Prüfungsausschussvorsitzenden oder Lehrenden. Ich informiere die entsprechenden Stellen auch über die rechtlichen Hintergründe und erkläre, dass der Betroffene einen Nachteilsausgleich braucht. Wir suchen dann gemeinsam nach einer passenden Lösung für genau diese Person. Bisher habe ich hauptsächlich gute Erfahrungen gemacht mit der Bereitwilligkeit, Nachteile für die Betroffenen auszugleichen. Häufig klemmt es, weil den Lehrenden Informationen fehlen. Sie wissen oft nicht, was rechtlich möglich ist bzw. auch verpflichtend ist.

Eine Lösung kann z.B. eine Schreibzeitverlängerung bei Prüfungen sein. Bei Panikattacken ist dies meist allerdings nicht hilfreich, hier wäre es besser, Pausen einzubauen. Oder das Thema Anwesenheitspflicht: Jemand mit einer chronischen Erkrankung, die in Schüben auftritt, fehlt vielleicht häufiger als man darf. Eventuell könnte die Person als Ersatz zusätzliche Übungsaufgaben abgeben oder ähnliches.

Oft frage ich auch einfach „Was würde Ihnen helfen?“ Denn vor allem Seh-, Hör- oder Mobilitätsbehinderte wissen meist, was ihnen hilft, weil sie das schon von der Schule kennen.

Schwieriger ist es häufig bei Menschen, die erst während des Studiums erkranken oder auch bei psychischen Erkrankungen, wie Depressionen, Angstzuständen oder bei chronischen körperlichen Erkrankungen. Betroffene mit diesen auf den ersten Blick nicht sichtbaren Behinderungen wollen nicht auffallen, wollen keine „Extras“ und haben oft Angst über ihre Behinderung zu sprechen. Ich sage dann immer, dass es hier nicht  um Vorteilsnahme geht, sondern um den Ausgleich von Nachteilen, die durch die Behinderung bestehen. Am Ende muss von allen Studierenden eine gleichwertige Studienleistung erbracht werden.

Sigrid Eicken ist Beauftragte für Studierende mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen.
Sigrid Eicken ist Beauftragte für Studierende mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen.

Bisher habe ich hauptsächlich gute Erfahrungen gemacht mit der Bereitwilligkeit, Nachteile für die Betroffenen auszugleichen.

Sigrid Eicken

Natürlich arbeite ich ganz eng mit der ZSB, den Fachstudienberaterinnen und -beratern und anderen beratenden Einrichtungen zusammen. Denn die Anliegen von behinderten Studierenden sind zumeist verknüpft mit anderen Themen, zum Beispiel  den Studienverlaufsplan zu entzerren oder die Studienfinanzierung. Außerdem ist oftmals die Expertise verschiedener Beratungsstellen gefragt. Die Beratenden der verschiedenen Einrichtungen geben entsprechende Hilfestellungen und Informationen.

Oft können wir gemeinsam einen Studienabbruch verhindern und in Zusammenarbeit mit dem Prüfungsausschuss etwas retten. Die Betroffenen sind oft sehr dankbar für die Hilfe. Häufig sind es ganz einfache Dinge, die das Studium für diese Personen ermöglichen.

Um die 7 Prozent der Studierenden haben Behinderungen, die ihr Studium erschweren, das heißt in absoluten Zahlen ca. 2000 Studierende. Dazu kommen noch die Studienbewerberinnen und -bewerber sowie die Lehrenden und weitere beteiligte Einrichtungen. Der Umfang des Arbeitsaufwandes ist sehr unterschiedlich. Manchmal reicht eine Beratung, manchmal ist ein aufwändiger und langfristiger Begleitungsprozess notwendig. Menschen mit Autismus brauchen zum Beispiel besondere Unterstützung.

Wenn bestimmte Fristen abgelaufen sind, wird es richtig schwierig. Deshalb mein Wunsch: Früher in die Beratung kommen. Es wäre schön, wenn auch die Lehrenden Betroffene möglichst früh zu mir schicken, falls sie von der Beeinträchtigung wissen. Überhaupt ist mir die Aufklärungsarbeit ein wichtiges Anliegen, damit Uniangehörige in den Fakultäten, der Verwaltung und Beratung die Problematik kennen und Unterstützung bieten können.

In allen Neu- und Umbauprojekten muss Barrierefreiheit hergestellt werden. Der  Arbeitskreis Barrierefreier Campus, in dem ich Mitglied bin, hat die Aufgabe bekommen, eine Bestandsaufnahme der gesamten Universität  hinsichtlich der Situation von Barrieren und Barrierefreiheit zu machen. Aus den gewonnenen Erkenntnissen werden – auch in Zusammenarbeit mit der Fakultät Architektur – Pläne und Gebäudebeschreibungen fürs Internet sowie Mängellisten und ein Maßnahmenkatalog erstellt. Ich bin gerade dabei, einen großen Antrag zur Barrierefreiheit in unseren Hörsälen zu erstellen.

Als ehemalige Leiterin der Zentralen Studienberatung habe ich langjährige Erfahrung in der Beratung von Studierenden und damit auch behinderter und chronisch kranker Studierender. Auch in meinem persönlichen Umfeld habe ich sehr viel mit behinderten Menschen zu tun. Zu Beginn meiner Amtszeit habe ich verschiedene Fortbildungen besucht, unter anderem beim Deutschen Studentenwerk in Berlin. Dort ist das bundesweite Kompetenzzentrum für Studium und Behinderung. Es gibt auch bundesweit einen guten kollegialen Austausch, um kreative Lösungen zu finden.

Zum Seitenanfang