40 Jahre deutsch-neuseeländische Forschungsallianz

Bilaterales Graduiertenkolleg "Soft Tissue Robotics"

Das „Land der langen weißen Wolke, „Aotearoa“ in der Sprache der Maori, unterhält schon seit 40 Jahren Wissenschaftsbeziehungen zu Deutschland. Vorne mit dabei die Universität Stuttgart im Austausch mit der University of Auckland. Jetzt hat diese Forschungsallianz eine weitere Finanzspritze erhalten. Seit März fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ein bilaterales Graduiertenkolleg für interdisziplinäres Bioengineering, mit dem Namen „Soft Tissue Robotics“. 

Neuseelands Botschafter zu Gast in Stuttgart
Groß war das Interesse am Stuttgarter Wissenschaftszirkel, bei dem Ende März Auckland und Stuttgart in der Universitätsbibliothek in Stuttgart ihre Visionen und Ziele skizzierten. Würdig der Rahmen: Universitätsrektor Wolfram Ressel konnte außer Vertretern des Wissenschaftsministeriums auch S.E. Rodney Harris, den Botschafter Neuseelands, begrüßen und die beiden Hauptakteure des Abends, die Professoren Leo Cheng aus Neuseeland und Oliver Röhrle.

Intensiver Austausch seit über zehn Jahren
Röhrle, Professor für „Continuum Biomechanics and Mechanobiology“ am Exzellenzcluster für Simulationstechnologie (SimTech) und am Institut für Mechanik (Bauwesen) der Universität Stuttgart, war von 2004 bis 2008 mehr als vier Jahre lang in Neuseeland und engagiert sich seitdem für die anhaltenden Forschungsbeziehungen zwischen den beiden Ländern. So lange kennt er auch Leo Cheng, seinen Forschungspartner am anderen Ende der Welt. Gemeinsam gewährten sie Einblicke in ihre Forschung am menschlichen Körper mit Hilfe von Methoden, die im Ingenieursberuf zum Alltag gehören, in ihrer Forschung aber noch ziemlich am Anfang stehen. Eine entscheidende Rolle fällt dabei Simulationstechniken zu. Digitalen Menschmodellen gilt ihr Hauptaugenmerk. 

Die Skyline von Auckland, Neuseeland.
Die Skyline von Auckland, Neuseeland.

Der Mensch ist elektrisch
Gerade mit Ingenieursmethoden, so zeigten Cheng und Röhrle, lassen sich komplexe Zusammenhänge in der Humanmedizin besser verstehen. Beide Forscher setzen ähnliche Methoden ein, um die Muskulatur des Menschen zu modellieren, befassen sich aber mit unterschiedlichen Teilgebieten. Während Cheng sich auf die elektrischen Signale des Magens und des Darms konzentriert, befassen sich Röhrle und sein Team auch mit der biomechanischen Auswirkung der elektrischen Signale, den Muskelkontraktionen, in ihre Forschungen einbeziehen.

Röhrle erklärte, dass der menschliche Skelettmuskel über ein elektrisches Signal vom Nerv angesteuert wird. Dieses Signal breite sich über die Fasern aus und führe zu einer Kontraktion des Muskels. Um die Ansteuerungsmechanismen von Skelettmuskeln besser verstehen zu können, erstellen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Hilfe von Simulationsmodellen virtuelle Modelle, die die resultierenden elektrischen Felder im Muskel beschreiben. 

Detailwissen über die Entstehung von Krankheiten
Der Neuseeländer Cheng ist dem menschlichen Verdauungsvorgang detektivisch auf der Spur. Er will nachvollziehen, wie elektrische Impulse ausgelöst werden und wie sie sich durch Magen und Darm ausbreiten. Der promovierte Ingenieur will darüber hinaus Detailwissen darüber erlangen, was genau passiert, wenn es zu Krankheiten kommt, um eine Technologie zu entwickeln, die diese Anomalien nachhaltig diagnostizieren und sie somit frühzeitig heilen oder ganz verhindern kann. 

Uni-Rektor Prof. Wolfram Ressel mit Prof. Leo Cheng (links) und Prof. Oliver Röhrle (rechts).
Uni-Rektor Prof. Wolfram Ressel mit Prof. Leo Cheng (links) und Prof. Oliver Röhrle (rechts).

Internationales Graduiertenkolleg für Interdisziplinäre Forschung
Seit März können sich Cheng und Röhrle (zusammen mit dem neuseeländischen Kollegen P. Xu und dem deutschen Kollegen Prof. Alexander Verl) als jeweilige Sprecher ihrer Forschungseinrichtung zusätzlich über einen Geldsegen der DFG zum Thema „Soft Tissue Robotics“ freuen. Forschungsziel ist die Erforschung neuartiger Methoden zur Entwicklung von Steuerungs- und Automatisierungsstrategien von Robotern für die Interaktion mit weichen Materialien.

Umgang von Robotern mit weichen Materialien
Starre Roboter sollen also mit weichen Materialien umgehen lernen, diese greifen, oder bearbeiten. Im Rahmen dieses Projektes werden zehn deutsche Professoren der Universität Stuttgart, die aus unterschiedlichen Disziplinen stammen, zehn Doktorandinnen und Doktoranden betreuen. Die Professoren selbst kommen von so unterschiedlichen Fakultäten wie Mathematik. Maschinenbau, Elektrotechnik, Informatik oder Sportwissenschaften. Genauso gibt es zehn neuseeländische Wissenschaftskollegen, die ihrerseits zehn Doktoranden betreuen. Diese Doktoranden werden über neuseeländische Forschungsgelder finanziert.

Zusammenführung von Robotik und Simulationsstrategien
„Zum Beispiel über Vorlesungen werden wir versuchen, eine interdisziplinäre Umgebung zu schaffen, um Robotik und Simulationsstrategien besser zusammenzuführen“, so Röhrle. Der regelmäßige Austausch zwischen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beider Länder erfolgt über Computer bei sogenannten Frühstücks- und Abendessen-Meetings. Denn die Zeitverschiebung beträgt je nach Jahreszeit zehn oder gar zwölf Stunden. Neben zweiwöchigen gemeinsamen Sommerschulen sollen die Doktoranden aus Stuttgart zudem während ihrer Promotion für mindestens sechs Monate in Auckland forschen, die neuseeländischen Doktoranden entsprechend in Stuttgart.

Zum Seitenanfang